Kiezgespräch

Veröffentlicht am 14.02.2019 von Corinna von Bodisco

Streit und Großeinsatz beim besetzen Schiff „Freibeuter“. In der Nacht zum vergangenen Mittwoch gab es in Friedrichshain und Rummelsburg einen Polizeieinsatz, der mehrere Stunden dauerte. Nach bisherigen Ermittlungen soll ein 45-Jähriger kurz nach 23 Uhr von einem ihm flüchtig bekannten Mann auf einem Bootssteg am Rummelsburger See mit einer Schusswaffe bedroht worden sein. Anschließend verließ der Tatverdächtige den Bootsanleger. Alarmierte Polizeikräfte nahmen die Verfolgung auf dem Wasser auf, fanden den Mann aber nicht. Den Bericht hier nachlesen: tagesspiegel.de.

Am Mittwochmittag hat Kollege Robert Klages beim Schiff vorbeigeschaut und mit Besetzerinnen gesprochen. Die Stimmung auf dem Schiff ist gedrückt. „Wir waren guter Dinge, Lösungen zu finden“, sagt der Mann, der die Polizei alarmierte. Eigentlich sollte es am heutigen Donnerstag ein Treffen zwischen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) und dem Verein Karuna geben: zur Suche des neuen Liegeplatzes und zum Umbau des Schiffes in eine Sozialstation für Obdachlose (in Zusammenarbeit mit Karuna). Der Termin wurde jedoch wieder abgesagt.

Beim letzten Haushaltsausschuss wurde den Aktiven vom Bezirk Xhain Unterstützung für das Obdachlosen-Projekt zugesagt. Zugleich wurde aber auch grünes Licht für eine Räumung gegeben. „Wir hoffen, dass wir hier weiter an einer Lösung arbeiten können“, so ein Besetzer.

Ein Auslöser für den Streit am Mittwoch laut Schiff-Bewohner: Debatte über Anarchismus. Jüngst kamen immer mehr Leute auf die Freibeuter und es entstanden Streitigkeiten darüber, ob und wie man mit der Politik zusammenarbeiten solle, wie das Schiff genutzt wird und von wem. Die Interpretation des Begriffes Anarchie führte ebenfalls zum Zank.

„Für mich ist Anarchie Liebe und Freiheit. Andere scheinen hier aber diktatorische Verhältnisse aufbauen zu wollen“, sagt ein Freibeuter-Bewohner und bezieht sich dabei auf jemanden, der in der Nacht des Polizeieinsatzes gesagt haben soll, Putin und Trump seien die größten Anarchisten. Das sei dann einer der Auslöser für die Eskalation gewesen – jemand soll mit einer Schusswaffe gedroht haben.

Besetzer fürchten Besetzung. „Es gibt hier zu viele Parteien mit zu vielen unterschiedlichen Interessen“, erzählt ein anderer Bewohner. Mit der Zeit kamen immer mehr Seebewohnerinnen auf die Freibeuter. Sie gehören wohl nicht zu den Leuten, die das Schiff nach der Rückgabe durch den Vormieter am 15.10.2018 besetzten. Die ursprünglichen Besetzerinnen sind enttäuscht. Manche fürchten eine Besetzung der Besetzung und vor allem: eine baldige Räumung. Dann würde das Schiff wohl verschrottet werden. Dabei sei man auf einem guten Weg gewesen.

Verschiedene Positionen: „Staub zu Glitzer“, ein Kollektiv, dass auch mal die Volksbühne besetzte, kümmert sich nach eigenen Angaben um die Pressearbeit und die Gespräche mit Politikerinnen, um die Freibeuter halten zu können. Ihr vollständiges Statement hier.

Wenig später meldete sich ein anderes Kollektiv namens „Die Buchtpiraten“: „Wir wohnen in Booten und Zelten und betrachten das Gewässer der Rummelsburger Bucht und das angrenzenden Ufer als unser zu Hause.“ Sie haben eine Werkstatt im hinteren Teil der Freibeuter eingerichtet, wohl auch ein Grund für Streit, denn ein Teil der Halle wurde so genutzt, dass es dem Freibeuterkollektiv nicht passte. Die völlig gegenläufigen Auffassungen kristallisierten sich vor allem in den Plenen heraus: Man wünsche sich selbstverwaltete Räume – auch für die Obdachlosen. Und man wolle nicht mit Karuna zusammenarbeiten.

Drogenkonsum und Lautstärke sind die Vorwürfe an die Buchtpiraten. In ihrem Statement schreiben die Piratinnen, eine von ihnen sei angegriffen worden. Außerdem hätte es die Androhung gegeben, sie sollen die Freibeuter bis 22h verlassen, sonst würde man ihre Boote versenken. Als Reaktion habe man sich im hinteren Teil des Schiffes verbarrikadiert. Eine Bedrohung mit einer Waffe solle es nie gegeben haben. Stattdessen soll eine Person mit „einem Schlägertrupp“ zu ihnen gekommen sein.

Für den heutigen Donnerstagabend haben „die Buchtpiraten“ zu 20h auf das Schiff für ein öffentliches Plenum eingeladen, um ihre Sicht der Dinge darzustellen. Einige Schiff-Bewohnerinnen befürchten, dass die Situation wieder eskalieren und geräumt werden könnte.