Kiezgespräch

Veröffentlicht am 24.10.2019 von Corinna von Bodisco

Hoffest oder „Trojanisches Pferd“ im Karstadt-Innenhof – das ist hier die Frage. Erinnnern Sie sich an die Pläne zum Karstadt-Umbau in Berlin? Die österreichische Immobilienentwicklerin Signa will das Gebäude neu gestalten. Dafür solle es auch ein Dialogverfahren in Anlehnung an die vom Senat erarbeiteten Leitlinien für Bürgerbeteiligung geben. Soweit gut? Dem sanierungsbedürftigen Funktionsbau täte frischer Wind doch mal ganz gut.

Trotzdem stößt das Unternehmen auf Kritik vom grünen Baustadtrat Florian Schmidt (kein „mall-artiges, das Umfeld beherrschende Monumental-Gebäude“) den Linken („ein vom Bezirksamt völlig losgelösten Beteiligungsverfahren“) und  der Initiative Hermannplatz („Wir möchten, dass der Hermannplatz und seine Umgebung unser Kiez und unser Zuhause bleiben“).

Unter dem Projekttitel „Dialog Hermannplatz“ treibt Signa Holding das Vorhaben zur Neugestaltung weiter, sogar eine Webseite gibt es: dialog-hermannplatz.de. Startpunkt des Projekts bildete die Ausstellung „90 Jahre Karstadt am Hermannplatz“, die immer noch läuft. Für Samstag, 26. Oktober, ist von 12-19 Uhr ein Hoffest im Karstadt-Innenhof geplant (hier geht es zur Facebook-Veranstaltung mit detailliertem Programm). Eine neue Kaffee-„Hrmnnbox“ soll dabei auch in den folgenden Monaten „zum zentralen Anlaufpunkt für alle werden, die sich am Dialog beteiligen möchten“, teilt Signa mit. Außerdem wird eine Fahrradstraße eingeweiht, die von der Hasenheide und der Urbanstraße durch den Innenhof führen wird, sowie eine Fahrradwerkstatt.

Der Karstadt-Neubau sei ein „Trojanisches Pferd“, in dessen Bauch „steigende Mieten, Verdrängung, Riesenbaustelle, Gentrifizierung“ versteckt seien. So twitterte es zumindest die Initiative Hermannplatz. Ein Hoffest mit falschem Pferd? Das lässt sich aus der Signa-Kommunikation allerdings nicht herauslesen („Um die Interessen und Bedarfe der AnwohnerInnen kennenzulernen und auch von Anfang zu berücksichtigen, sucht Signa den Dialog mit den AnwohnerInnen“).

Gelungener Vergleich mit dem Pferd, findet Niloufar Tajeri auf Facebook. Signa würde nur Künstlergruppen miteinbinden, um sozialer zu wirken, schreibt die wissenschaftliche Mitarbeiterin der TU Braunschweig. Es dürfe nicht vergessen werden: „Unternehmen und Konzerne eignen sich fortwährend Themen und Methoden aus der Zivilgesellschaft an, um von ihren eigentlichen Interessen und Absichten abzulenken“.

Überzeugen Sie sich am Samstag, liebe Leserinnen, ob irgendwo im Karstadt-Hinterhof ein oder mehrere Holzpferde lauern. Falls ja, mir bitte per Mail oder bei Twitter Bescheid geben! Ich kann selbst leider nicht vorbeischauen, da eine Ärztin auf eine Viren-Trojanerin in meinem Hals reingefallen ist. Das Verschriebene hat mich leider nur kränker gemacht. – Text: Corinna von Bodisco

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Zur Newsletter-Autorin: Corinna von Bodisco ist freie Autorin beim Tagesspiegel. Der Weg von Kreuzberg in ihr Neuköllner Gemeinschafts-„Biro“ führt sie meist über den grünen Fahrradweg an der Hasenheide. Wünsche, Ideen und Kritik liest sie gern per Mail, bei Twitter oder Instagram.