Kiezgespräch
Veröffentlicht am 09.06.2022 von Nele Jensch
Seit mehr als zwei Jahren können Mieter*innen aus der Graefestraße 13 nicht nach Hause: Nach einem Brand am 29. Januar 2020 waren diverse Wohnungen nicht mehr bewohnbar – und wurden bisher entgegen der Versprechen des Vermietenden nicht saniert. Die allermeisten Mieter*innen (bis auf eine einzige Partei) konnten bisher nicht zurückkehren, auch ein Späti und eine Kita sind betroffen. Dem Kinderladen wurde zum Sommer 2022 gekündigt, der Späti ist seit Januar geschlossen.
Die betroffenen vier Mietparteien, die in ihre Wohnungen zurückkehren möchten, werfen dem Eigentümer vor, den Leerstand bewusst herbeizuführen. Denn die Wohnungen sind günstig, die Bewohner*innen haben zum Teil alte Mietverträge und zahlen unter sieben Euro pro Quadratmeter. Sie gehen davon aus, dass der Eigentümer die Wohnungen neu (und dann entsprechend teuer) vermieten möchte.
Der Fall beschäftigt auch die Bezirkspolitik: In der letzten Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wurde eine entsprechende Große Anfrage verhandelt, eingebracht von der SPD-Fraktion. Diese sieht in dem Vorgehen des Vermieters eine Entmietungs-Strategie: „Trotz Versprechungen werden die Wohneinheiten durch den Vermieter nicht instandgesetzt und saniert“, kritisieren die SPD-Verordneten Ahmet Iyidirli und Sebastian Forck. Iyidirli sagte bei der BVV, das Bezirksamt müsse verhindern, dass Häuser wie das in der Graefestraße 13 zu Spekulationsobjekten werden; ganz besonders, da es in einem Sozialen Erhaltungsgebiet liegt.
Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) beantwortete insgesamt 16 Fragen zur Graefestraße 13 – und deckte dabei auf, wie schwierig eine rechtliche Handhabung in derartigen Fällen ist. Denn: Laut Bauablaufplan sollte die Sanierung eigentlich bis November 2021 fertig gestellt sein, so Schmidt. Derzeit seien ein aktueller Ablaufplan und das Sanierungskonzept angefordert, aber bisher nicht beim Wohnungsamt eingegangen.
Dennoch kann kein zweckentfremdungsrechtliches Leerstandsverfahren gegen den Eigentümer eingeleitet werden, da die Wohnungen rechtlich gesehen nicht leer stehen: Sie sind durch den Brand zwar nicht bewohnbar, jedoch rechtlich nicht frei, da geltende Mietverträge existieren. Eine Zweckentfremdung durch Leerstand entsprechend dem Gesetz setze jedoch grundsätzlich voraus, dass der Wohnraum tatsächlich frei ist. Zudem konnte der Eigentümer Sanierungsarbeiten in den Wohnungen nachwiesen.
Schmidt bedauerte, dass die Rechtslage kein effektiveres Vorgehen erlaube. Er würde gerne aktiv werden, „formal hält sich die Hausverwaltung jedoch soweit an die Vorschriften, dass ein behördliches Einschreiten bisher verhindert wird“. Es sei auch „bemerkenswert, wie hier anscheinend gerade knapp unter der Einhaltung von Vorschriften Verzögerung, Verschleppung und Umgehungsversuche vorliegen, wohl mit dem Ziel, Mieter zu entmieten und letztlich dieses Haus einer hohen Verwertung zuzuführen“. Die Graefestraße 13 ist laut Schmidt ein „extremes Beispiel für Spekulation“.
- Mehr Informationen zu dem Fall gibt es auch bei der „taz“, dem Berliner Mieterverein, der SPD Xhain und der „Berliner Morgenpost“ (€)
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