Nachbarschaft

Veröffentlicht am 01.03.2018 von Corinna von Bodisco

Enrico Schönberg, Initiative Stadt von Unten

Enrico Schönberg, 36, engagiert sich in der Initiative Stadt von Unten (SvU) und setzt sich für bezahlbaren Wohnraum ein.

2014 gegründet, organisiert sich SvU gesamtstädtisch gegen Verdrängung, einige der Aktiven wohnen in XHain, andere im Rest Berlins.

Worum geht es im Beteiligungsverfahren Rathausblock und wie kam es zustande? Das Verfahren ist das Ergebnis einer jahrelangen Auseinandersetzung um das sogenannte Dragoner-Areal, einem großen Teil des Rathausblocks. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wollte das bundeseigene Grundstück privatisieren. Zahlreiche Initiativen und die Nachbarschaft machten daraufhin mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegen die Privatisierung mobil. Das überzeugte auch den Senat, der die Fläche daraufhin als Sanierungsgebiet einstufte. Im Finanzausschuss des Bundesrats konnte die Privatisierung schlussendlich gestoppt werden. Jetzt wird das Areal im Rahmen des Hauptstadtfinanzierungsvertrags an das Land übertragen und wir können endlich über eine gute Entwicklung für Kreuzberg 61 (Anm.: westlicher Teil von Kreuzberg) streiten. Das Beteiligungsverfahren ist Teil davon.

Wie hoch ist dabei der Aufwand für die ehrenamtlichen Aktiven? Der Aufwand ist ungezählt und unbezahlbar. Vom Ehrenamt ist auch professionelle Arbeit abhängig, fragen Sie nur mal die Beteiligungsbüros. Etablierte Strukturen leben von unkonventionellen Impulsen der Ehrenamtlichen. Häufig sind es auch die einzigen, die noch genug Glaubwürdigkeit mitbringen, wenn es um handfeste Auseinandersetzungen geht.

Heißt das, ehrenamtliche Initiativen pflegen eine gesündere Streitkultur? Sie pflegen zumindest eine – allein das ist schon mal gesünder, aber nicht gerade einfacher.

Was kann Ihre Initiative im Prozess konkret mitbestimmen? Bei uns heißt es: „Wir beteiligen uns schon längst“, denn wir haben gemeinsam mit der Stadt die Privatisierung verhindert. Also konnten wir bereits viel mitbestimmen, ohne dass dies ursprünglich so gedacht war. Welche Instrumente des Mitentscheidens im Verfahren verankert werden – das erarbeiten wir aktuell in der Kooperationsvereinbarung. Mit Kleinigkeiten, also nur ein bisschen Mitbestimmung, werden sich die Initiativen nicht zufrieden geben.

Eine Vereinbarung mit verschiedenen Akteur*innen treffen: Was sind die Chancen, was die Herausforderungen? Die Anerkennung der Initiativen als Akteure sowie ein hoher Grad an Verbindlichkeit sind uns am wichtigsten. Eine „politische Entsorgung“ über eine Vielzahl an Ausschreibungen an bislang unbeteiligte Drittanbieter wie professionelle Planungsbüros lehnen wir eher ab. Sich auf gemeinsame Ziele verständigen und diese mit den unterschiedlichen Interessen vereinbaren – das ist die eigentliche Kunst solcher Prozesse.

Sind solche Drittanbieter denn aktuell am Verfahren beteiligt? Ja, diese Planungsbüros sind für die Durchführung zuständig. Das läuft nicht immer reibungslos, aber interessant ist, dass alle Beteiligten dazu lernen und das auch wollen.

Stadt von Unten vertritt ein Modellprojekt („Selbstverwaltet und Kommunal“). Soll dies in Zukunft auch auf andere Bau- und Sanierungsprojekte Berlins angewandt werden? Ja klar, wir setzen uns für die Demokratisierung des bestehenden Raums sowie der Neubauten ein. Dafür müssen wir verhandeln, wer über den Wohnraum bestimmt. Der Finanzsenator sagte uns dazu: „Natürlich müssen die Wohnungsbaugesellschaften des 21. Jahrhunderts nicht so funktionieren, wie die des 20. Jahrhunderts.“ Die „großen Tanker“ der Gesellschaften sollten sich diesen Veränderungsprozessen nicht verschließen. Der Mietenvolksentscheid und die Etablierung von Mieterräten sind erste wertvolle Schritte zur Mitbestimmung.

Was erhoffen Sie sich? Ein Ende der Verdrängung und ein bisschen mehr utopisches Denken. Und dass jetzt ganz viele unseren Newsletter abonnieren.

SvU ist unter anderem im Beteiligungsprozess rund um das Sanierungsgebiet Rathausblock mit dem sogenannten Dragoner-Areal involviert (siehe auch „Namen & Neues“). Eine Kooperationsvereinbarung zwischen allen im Prozess Aktiven, darunter der Senat, das Bezirksamt, die 13 Initiativen und die Anwohner*innen ist vor dem konkreten Nutzungsplan Ziel des Verfahrens. Infos auch auf stadtvonunten.de

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: corinna.bodisco@extern.tagesspiegel.de.