Nachbarschaft
Veröffentlicht am 22.03.2018 von Corinna von Bodisco
Margit Middelmann ist im Bereich Kunst- und Kulturvermittlung tätig. Seit Oktober 2017 leitet sie das Projekt #wissenteilen – eine Kooperation des Kunst- und Bildungs-Labors S27 mit der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) Berlin. Dabei erstellen Kinder und Jugendliche ein „Lexikon der Stadtgesellschaft“, interessierte Bürger*innen können in der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) vorbeischauen.
Wie kam das Projekt zustande und wer macht mit? Die S27 untersucht seit vielen Jahren mit Kindern und Jugendlichen die Entstehung von Wissen: Wie wird Wissen gesammelt und wer bestimmt, welches Wissen es in den Stundenplan schafft? Wir haben außerdem gemerkt, dass sich die Stadt und das Wissen verändern: Viele junge Geflüchtete sind dazu gekommen, auch bei der S27. Mit #wissenteilen möchten wir in einem kreativen Experiment ausloten, wie verschiedene Menschen zusammen einen Umdenkungsprozess anstoßen. Wir gehen davon aus, dass sich Wissensvermittlung in einem intensiven und beweglichen Austausch abbildet. Beteiligt sind die ZLB, Stadtteilbibliotheken, Schulen, streetunivercity, Trickmisch und Berliner Bürger.
Um welches Wissen geht es bei #wissenteilen und was wird in das Lexikon aufgenommen? Wir sind auf der Suche nach dem verborgenen und vielfältigen Wissen der Stadt, das vor allem von Bürgern geschaffen wird. Konkret veranstalten wir beispielsweise Bürgerumfragen – die x-Dinge Umfragen. Dort können die Besucher ihr Wissen mit uns teilen. Die Gewichtung der Relevanz des jeweiligen Wissens liegt bei unseren jugendlichen Teilnehmern. Sie sammeln es im Gespräch mit Passanten, in Bibliotheken, Fußballstadien, auf Flohmärkten oder in Shoppingmalls. Dadurch werden spezielle Interessen und Kenntnisse aus sehr unterschiedlichen Lebenszusammenhängen sichtbar, die sich nicht an vorgegebenen Wissensgebieten orientieren. Das Zusammenwirken von individuellem Wissen und den großen Fragen der Zeit erzeugt ein innovatives Querdenken.
In welcher Form kann man sich dieses Lexikon vorstellen? Wird es irgendwann „publiziert“? Wir arbeiten in verschiedenen Projektformaten – von Texten zur Installation bis zum medialen Beitrag. Etwa 20 Künstler arbeiten dafür mit Schulklassen und Bibliotheken. Die Aktionen und Umfragen werden bis zur Next Library Conference weitergeführt und dort vor und in der AGB präsentiert. Außerdem werden sie redaktionell aufgearbeitet und in einer Broschüre erscheinen.
Sind Bibliotheken nicht Orte, an denen eher Ruhe und Stille geboten ist? Wie passt das mit dem aktiven und räumlichen Charakter des Projekts zusammen? Die „altehrwürdige“ Bibliothek hat sich längst verändert – das bemerkt man auch in der spannenden AGB. Sie ist nicht nur ein Ort des Wissens, sondern auch ein Raum für die Stadtgesellschaft. Ihre Konzepte gehen weit über die ruhigen Lesestuben hinaus. Die ZLB beweist Mut, dass sie unser Experiment unterstützt und mit Spannung beobachtet, wie performative und partizipative Formen bei den Bibliotheksbesuchern ankommen. So wird gleichzeitig auch ein neues Bibliotheksgesicht geformt.
Wann und wo können interessierte Menschen mit #wissenteilen in Kontakt kommen? Wir werden am 15.04. wieder bei #agbsonntagsoffen (11-17h, Blücherplatz 1) sein, um das Wissen der Stadt zu sammeln. Alle können mitmachen! Trickmisch ist auch wieder vor Ort. Sie finden uns dann in der Kinder und Jugendabteilung, eine Etage tiefer.
Foto: Sabeth Kerkhoff
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: corinna.bodisco@extern.tagesspiegel.de