Nachbarschaft
Veröffentlicht am 19.04.2018 von Nele Jensch
Hans-Peter Hubert, 58, ist Politikwissenschaftler und Organisator von leiser-bergmannkiez. Eine Kiezbewohnerin bezeichnet ihn auch als „Kopf und Herz“ der 2012 gegründeten Initiative, die sich für Verkehrsberuhigung, gegen Lärm und Luftverschmutzung einsetzt.
Um welchen Lärm geht es Ihrer Initiative leiser-bergmannkiez?
Im Fokus unserer Initiative ist der Verkehrslärm. Der Bergmannkiez ist besonders betroffen von der dynamischen Entwicklung Berlins seit der Jahrtausendwende, mit einer erheblichen Zunahme des motorisierten Verkehrs. Ein großer Teil davon nutzt unseren Kiez als Durchfahrtsstrecke in Nord-Süd-Richtung zwischen Berlin-Mitte und der Autobahnauffahrt Tempelhof – inzwischen fahren sogar die Flixbusse durch unseren Kiez. Dadurch ist die Lärmbelastung für die Anwohner*innen in einem unerträglichen Maße angestiegen – was durch die zahlreichen Kopfsteinpflasterstraßen im westlichen Bergmannkiez noch verstärkt wird.
Gab es einen konkreten Auslöser für die Gründung der Initiative?
Als 2012 einzelne Kiezbewohner*innen von der Bürgerbeteiligung zum Lärmaktionsplan 2013-2018 für das Land Berlin erfuhren und zur Diskussion in den Wasserturm einluden, zeigte sich, wie viele Anwohner*innen inzwischen „die Ohren voll“ hatten und nicht mehr bereit waren, Schlafstörungen und ähnliche Probleme hinzunehmen. Wir stellten dann fest, dass bislang keine unserer Kiez-Straßen Bestandteil des Lärmaktionsplans waren, nicht einmal die Route Zossener-/ Friesenstraße. Aus den Wasserturm-Treffen entstand dann unsere Initiative mit der Forderung einer Sperrung für den durchfahrenden motorisierten Individualverkehr. Unsere Sperrungs-Forderung lehnte der Senat zwar ab, aber immerhin: Seitdem ist der Bergmannkiez mit der Friesenstraße Teil des Lärmaktionsplans. Was wir damals nicht wussten: Dadurch konnte der Senat EU-Fördermittel für die bald geplante Asphaltierung der Friesenstraße beantragen.
Wer engagiert sich bei leiser-bergmannkiez?
Anwohner*innen aus dem Bergmannkiez. Wir organisieren uns einerseits als Orga-Team, das derzeit aus sieben Personen besteht und für alle offen ist, die sich längerfristig engagieren wollen. Zweitens laden wir – wenn wichtige Themen anstehen – zu Verkehrsgesprächen in den Wasserturm ein. Beim letzten Mal waren immerhin rund 100 Personen anwesend. Dazwischen informieren wir über einen Mailverteiler und unsere Webseite.
Auf der Website steht, Mitglieder von Leiser-bergmannkiez haben „in Eigeninitiative Lärm-Messungen durchgeführt. Handelt es sich dabei nicht um sehr aufwendige Verfahren? Wie sind Sie da herangegangen?
Natürlich ersetzen unsere Messungen nicht flächendeckende Erhebungen. Aber es gibt in unserem Team auch Experten, die sich beruflich mit Verkehrsplanung beschäftigen. Mit ihrem Wissen haben wir zum Lärmaktionsplan stichprobenartige Erhebungen gemacht. Und: Für einen rbb-Abendschau-Beitrag war der Vorsitzende des Arbeitsrings Lärm der DEGA, Herrn Jäcker-Cüppers, unser Gast. Mit seinem Hand-Messgerät hat er an der Friesenstraße bei Tempo-30-Verkehr bis zu 85 Dezibel (Anm.: über 80 heißt „sehr laut“) gemessen. Dadurch konnten wir immerhin nachweisen, dass Handlungsbedarf besteht, was von offizieller Seite dann ja auch bestätigt wurde. In aktuellen Lärmkarten ist die Zossener- und Friesenstraße inzwischen mit „Alarmstufe rot“ eingezeichnet.
Was steht aktuell an?
Aktuell sind von Senats- und Bezirks-Seite für den Bergmannkiez folgende Verkehrsmaßnahmen in Planung: Die für dieses Frühjahr geplante Asphaltierung der Friesenstraße, die für den Herbst geplante Einführung der Parkraumbewirtschaftung und die geplante Testphase zur „Begegnungszone Bergmannstraße“. Aber: All das löst nicht das Kernproblem des Verkehrslärms in unserem Kiez. Daher setzen wir uns als Initiative auch weiterhin für unsere Forderung nach Sperrung für den Durchgangsverkehr ein. Und: In den vergangenen Jahren haben wir gelernt, wie wichtig eine echte Bürgerbeteiligung ist, an der die Bürger*innen nicht nur alibimäßig beteiligt werden. Auf unsere Anregung hin wurden im Bergmannkiez Gesprächsrunden mit der Bezirks- und Senatsverwaltung zum Thema Verkehrsgestaltung etabliert. Gerade sind wir dabei, diese Ebene mit dem Bezirksstadtrat und weiteren Akteuren im Kiez auszubauen.
Interview: Corinna von Bodisco
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-n.jensch@tagesspiegel.de