Nachbarschaft
Veröffentlicht am 02.05.2019 von Corinna von Bodisco
Box32: „Keine Miete für Steueroasen“. Die Mieterinnen der Boxhagener Straße 32 befürchten teure Sanierungen oder die Umwandlung der 40 Wohneinheiten in
Eigentum. Warum? Das Haus wurde verkauft und die Recherchen des mit den Mieterinnen befreundeten Journalisten Adrian Garcia-Landa ergaben: über ein Firmengeflecht wurde das Haus über eine luxemburgische Zweckgesellschaft an einen Investmentfonds mit Sitz auf den Cayman Islands weiterverkauft. Die kleinen Caymans sind eine der großen Steueroasen der Welt. Anknüpfend an diese Recherchen habe ich mit einem Mieter, der ehemaligen Hausverwaltung und einem Sprecher des neuen Eigentümers mit „luxemburgischer Holdingstruktur“ gesprochen.
Veränderungen? „Nichts Wesentliches“. Die Hausverwaltung ASCAR FM informierte im Auftrag des neuen Eigentümers per Post über den Verkauf. Laut Mieterinnen wurde im Brief der Name „Charlotte GR 2 S.á r.l.“ sowie die zugehörige Adresse in Luxemburg genannt. Die Bewohnerinnen hätten aber keinen direkten Weiterverkauf oder Anmeldung von Eigenbedarf zu befürchten, steht im Brief. Ergo: „Nichts Wesentliches“ würde sich verändern. „Das Schreiben kam bei den meisten erst an, nachdem wir bereits vom Bezirk zu einer Versammlung diesbezüglich eingeladen wurden“, erzählt ein Mieter.
Schnell verkauftes Erbe. Der Geschäftsführer der Hausverwaltung erzählte mir, ASCAR sei beim Verkauf nicht involviert gewesen. „Ich war ein bisschen sauer, weil ich vorher darüber gar keine Infos bekommen habe“, erklärt er. Seit nunmehr 25 Jahren hat die GmbH mit Sitz in Friedrichshain das Haus verwaltet, in dieser Zeit ging das Haus vom verstorbenen Eigentümer-Vater an den Sohn über. Sein Erbe habe der Sohn an die „Round Hill Capital“ verkauft.
News aus London: „the concerns are groundless“. Die Mieterinnen sind wegen des Verkaufs beunruhigt, dazu gäbe es jedoch keinerlei Grund, sagt mir ein Sprecher aus London. Der „Fokus“ der Firma seien weder Privatisierungen, Modernisierungen noch Mieterhöhungen. Außerdem könne man rechtlich gar nicht erhöhen, da besagtes Haus im Milieuschutzgebiet liegt und der Mietspiegel in Deutschland Mieterhöhungen reguliere.
Bekanntlich gibt es Schlupflöcher, as you probably know? Weder der Mietspiegel noch ein Milieuschutzgebiet garantieren den Mieterinnen absolute Sicherheit. So kann nach dem Ablauf von sieben Jahren der Eigentümer eines Hauses Wohnungen im Schutzgebiet ganz normal verkaufen. Was den Mietspiegel betrifft: Der wird immer wieder gekippt und ausgehebelt. So stellte die Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen schon 2015 dessen Wert vor Gericht infrage – gewann und setzte höhere Mieten durch (Ralf Schönball berichtete im Tagesspiegel). Round Hill dazu: „Wir können Mieten nicht erhöhen, wenn es nicht erlaubt ist“.
Und sowieso: Die Mieterinnen hätten weder mit ihnen noch mit ASCAM das Gespräch gesucht. Dabei wäre extra ein Brief zur Information verschickt worden, dass kein Grund zur Sorge besteht. „Wir würden uns freuen, mit den Mietern zu diskutieren“, heißt es aus London. Mein Mieter-Kontakt sagte mir, dass die Hausgemeinschaft „aufgrund der Struktur des Käufers“ kein großes Potential in einem Gespräch sah. „Unsere Zeit und Kraft haben wir lieber in den Vorkauf gesteckt.“
Zur Frage, was denn die Pläne mit dem Haus seien, wenn nicht Privatisierungen, Modernisierungen und Mieterhöhungen – und ob die aktuellen Mieterinnen bleiben können, wollte Round Hill noch eine Stellungnahme schicken. Diese hat mich jedoch bis Redaktionsschluss nicht erreicht.
Bezirk prüft Vorkaufsrecht. Die Box32 liegt in einem der begehrtesten Kieze Berlins: im Milieuschutzgebiet „Boxhagener Platz“. Der Bezirk prüft aktuell, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann. Dafür muss bis zum 20.05. eine Käuferin (städtische Wohnungsbaugesellschaft, Genossenschaft, gemeinnützige Stiftung oder eine Privatperson) gefunden werden.
Karibisches Fest. Zuallererst wollen die Mieterinnen ihr Zuhause behalten, aber ums Prinzip Gemeinwohl geht es ihnen auch. Deswegen laden sie am kommenden Freitag, den 3.05. ab 15h zu einem Hoffest ein, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und „über den Investor aufzuklären“. Es wird ein Fest mit karibischem Flair – „passend zum Investor“, schreiben die Bewohnerinnen. Essen, Getränke und Musik gibt es vor Ort, auch die Abgeordneten Canan Bayram, Daniela Billig (beide Grüne) und Pascal Meiser (Linke) wollen kommen. Schauen Sie doch vorbei.
Foto: box32.de
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-c.bodisco@tagesspiegel.de