Nachbarschaft
Veröffentlicht am 06.06.2019 von Corinna von Bodisco

„Im Prinzenbad allein“ singt die Band „Element of Crime“ rund um Sven Regener. Zwar ist der Song nicht gerade eine Hommage auf den Sommer, doch ein leeres Prinzenbad bei den aktuellen Hitzetemperaturen wäre doch was. Wann geht das, wenn nicht um 7h in der Früh? „Liebe Leute, ich suche Frühschwimmer*innen, die im Prinzenbad ihren Tag starten“, so mein Aufruf in den sozialen Netzwerken. Prompt hatte ich eine Verabredung mit Birgit Huster.
Treffpunkt Terrasse. Am darauffolgenden Morgen leuchtet die Bestätigung auf meinem Smartphone: „Bin da. Gehe jetzt ins Wasser, Kaffee 40-50 Minuten später auf der Terrasse“. Also auf geht’s ins Freibad – bei 30 Grad! Während ich unter dem Sonnenschirm auf Birgit im Café warte, erzählt mir ein anderer Schwimmer, dass er die frühen Öffnungszeiten schätze. „Das Prinzenbad macht schon um 7h auf, das gibt es in Berlin sonst nur noch im Sommerbad Olympiastadion“. Allerdings sei das Becken, in dem die schnellen Schwimmerinnen ihre Bahnen ziehen heute schon um zehn nach sieben voll gewesen.
Das bestätigt auch Birgit – eigentlich sei das Schwimmen hier eher optimal, wenn das Wetter schlechter ist. Um zehn nach sieben konnte sie gerade noch den letzten Spind ergattern. Nicht vergessen sollte man übrigens das eigene Vorhängeschloss. Vor dem Schwimmen wird die Besucherin in der Dusche von Zwitschergeräuschen empfangen, ein bisschen klingt es wie in einem Pflanzenschauhaus. Die regelmäßige Frühschwimmerin weiß, woher die Geräusche kommen: „Die Schwalben sind eine Tradition hier im Bad. Mit den roten Flecken am Hals sind die auch sehr hübsch. Wann sieht man diese Vögel schon mal so nah?“
Schwimmen seit 25 Jahren. Birgit wohnt seit 38 Jahren in Kreuzberg, das Schwimmen hilft ihr, positiv in den Tag zu starten. Besonders in schwierigen Zeiten – zum Beispiel als sie einmal arbeitslos war – hat ihr die Bewegung sehr geholfen. „Wenn du aufstehst und erst mal schwimmen warst, ist dein Geist ein ganz anderer.“ Dann kam der neue Job an der Deutschen Oper, das regelmäßige Schwimmen blieb. Die Schwimmbegeisterung liegt in der Familie: Ihre Eltern schwimmen im Sommer täglich, auch noch heute mit über 90 Jahren.
Mäßig begeistert von den Berliner Bäder-Betrieben (BBB). Im Winter geht Birgit ins Hallenbad, aber nicht mehr in die BBB-Schwimmhallen, sondern in das 25-Meter-Becken ihres Fitness-Studios. „Von den Bäder-Betrieben habe ich mich irgendwann abgewandt“. Es komme vor, dass man vor verschlossenen Türen stehe, mal sei der Krankheitsstand zu hoch, mal Personalversammlung, mal Schul- oder Vereinsschwimmen. „Das nervt besonders, wenn man vorher durch die ganze Stadt gefahren ist“. Zum Prinzenbad braucht Birgit zum Glück nur fünf Minuten mit dem Fahrrad. Im Tagesspiegel hat sie besonders gerne die kritischen Artikel vom ehemaligen Redakteur Matthias Oloew zum Bäderthema gelesen, denn „der hat die Bäderbetriebe vor sich hergejagt“. Zum Prinzenbad hat er sogar ein Buch veröffentlicht. Seit einigen Jahren hat Oloew die Bahn gewechselt – und ist nun Pressesprecher der BBB.
Codewort „Regenbogenforellen“. Früher ist Birgit jeden Tag mal in ein anderes Schwimmbad gefahren, so auch in die Schwimmhalle bei der Landsberger Allee, wo der Verein „Regenbogenforellen“ trainiert. Ulrike Folkerts (bekannt als Tatort-Kommissarin Lena Odenthal aus Ludwigshafen, Anm. d. Red.) sei auch mal dabei gewesen. „Ich war nie in diesem Verein, mir wurde nur mal gesagt: Wenn du samstags schwimmen willst, dann sag‘ einfach ‚Regenbogenforellen’ am Eingang. Dann kannst du rein“. So war es dann auch. Mit dem Sportschwimmen sei es aber so eine Sache. Nicht immer kämen überhaupt alle Vereinsleute, trotzdem hätten die anderen Besucherinnen weniger Platz. So sei für Birgit auch bei der Tragluftkonstruktion, die 2020 das Prinzenbad im Winter überdachen solle, noch nicht klar, „für wen das eigentlich ist“.
Sommermehrfachkarte. Eine Saisonkarte habe Birgit gerade nicht, „sonst bleibt man doch wieder hier“. Aber das sei schon sinnvoll, denn mit einer Karte muss man sich nicht anstellen. Eine gute Möglichkeit ist die Sommermehrfachkarte (70 Euro), die 20 Eintritte innerhalb der Saison gewährt. 20 Mal Freibad in nur einem Sommer? – Es könnten auch Freunde mitgebracht werden, die Karte ist nicht an eine Person gebunden, erklärt mir der Kassenwart. Na dann: Kraulen für einen anderen Geist. Und das Tauchen fasst Birgit so zusammen: Im Wasser ist man Gast, deswegen immer aufpassen.
Background. Viele Berlinerinnen kennen die 59-jährige Kreuzbergerin als langjährige (1982-2018!) Betreiberin vom „Café Rizz“, der Sportkneipe im Graefekiez, die es leider seit Ende letzten Jahres nicht mehr gibt. Nachdem sie nach einigen Vorfällen auf Twitter mitteilte, keine Rechtsradikalen im Rizz zu dulden, brach ein Shitstorm von AfD-Leuten über sie herein. Zum Ende des Jahres wurde der Mietvertrag nicht mehr verlängert, vier Unternehmer übernahmen die Kneipe. Der neue Laden interessiert Birgit nicht, der habe für sie „null Aussage“. Zwar wollte sie „die Nächsten machen lassen“, jedoch wurde entgegen der Abmachung ihr Personal nicht übernommen. Seit fünf Monaten wurden die Räumlichkeiten umgebaut, am gestrigen Mittwoch eröffnete der „Lausebengel“.
Sommerbad Kreuzberg, Prinzenstraße 113-119, drei Becken mit großer Liegewiese (sieht so aus), Öffnungszeiten berlinerbaeder.de. Tipp für die weitere Lektüre: Der Prinzenbad-Blog, den Sigrid Deitelhoff für die taz schreibt.
Foto: Corinna von Bodisco
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