Nachbarschaft

Veröffentlicht am 27.06.2019 von Nele Jensch

Ulrike Presting begleitet Jugendliche und junge Menschen therapeutisch. Seit Ende letzten Jahres hat sie ihre Praxis am Chamissoplatz und nutzt das nah gelegene Tempelhofer Feld gerne für erste Begegnungen beim Spazierengehen.

Ihr Angebot richtet sich an Jugendliche in schwierigen Situationen. Welche Umstände führen dazu, dass junge Menschen Ihre Hilfe suchen? Die Jugendlichen und jungen Menschen kommen aus einer Situation der Verunsicherung, die die unterschiedlichsten Auslöser haben kann. Sie fühlen ihren inneren Halt nicht und brauchen eine neutrale, vertrauenswürdige Person, die sich für sie interessiert. Oft resultiert diese Verunsicherung daraus, dass sie nicht an die eigene Stärke glauben.

Sie sind Gestalttherapeutin, haben aber auch eine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht, waren Mitinhaberin einer Buchhandlung und haben einen Heilpraktikerschein. Fließen diese unterschiedlichen Berufserfahrungen in Ihre therapeutische Arbeit ein? Für mich liegt in jedem Menschen eine Faszination. Deshalb habe ich mich schon von klein auf für Filme, Bücher und Theater interessiert – weil es dabei immer um Menschen geht. Der Beruf der Buchhändlerin ermöglichte es mir, bewegende, inspirierende Bücher weiterzuverbreiten. Das Spannendste dabei ist, für die unterschiedlichsten Menschen das „richtige“ Buch zu entdecken. Genauso spannend ist es, für jede*n Einzelne*n der*die zu mir kommt, eine passende Quelle der Inspiration zu finden. Da sind auch immer wieder Anregungen aus der Literatur, Musik, Film, Kunst dabei – die uns aufrütteln, bewegen, erschüttern. Es geht in meiner Arbeit viel darum, sich zu spüren: Wer bin ich, was denke ich, was fühle ich? So fließen tatsächlich mein ganzheitlicher Ansatz der Heilpraktikerin, die intensiveren Prozesse der Gestalttherapie und die Leichtigkeit der inspirierenden Momente in die Begegnungen mit den jungen Menschen ein.

Am Chamissoplatz sind Sie noch relativ neu – was gefällt Ihnen besonders am Kiez? Die jugendliche Ulrike aus dem West-Berlin der 80er Jahre träumte von der richtigen Stadt. Und die tollste Stadt überhaupt war rund um den Chamissoplatz. Mir gefällt, auch heute, das Glücksgefühl, das diese Gegend in mir auslöst. Außerdem: das bergauf und bergab; die Buchhandlung Kommedia in der Markthalle und ganz besonders das Antiquariat Bergmann 20 (alles, was je an guten Büchern geschrieben wurde, findet man dort). Ganz wichtig: Hier gibt es sie noch, die Mischung der Menschen; einmal durch alle Welten.

Foto: Darius Ramazani 

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-n.jensch@tagesspiegel.de