Nachbarschaft

Veröffentlicht am 25.07.2019 von Corinna von Bodisco

Jeanne Fredac hat eine Briefmarke für Rosa Luxemburg entworfen, um die Revolutionärin zu ehren und einen Gegenpol zur männlichen Dominanz in Sachen Erinnerungskultur zu setzen. Ein wenig Unterstützung für das Crowdfunding braucht sie noch. Meine Kollegin Nele Jensch hat sie zu dem Projekt befragt.

Sie wollen eine Briefmarke mit Rosa Luxemburgs Portrait herausbringen, zu welchem Anlass? Im Rahmen einer Ausstellung des Kunstvereins GEDOK in Berlin habe ich Anfang des Jahres ein Pop-Art-Porträt von Rosa Luxemburg gemalt. Ich bin stark beeindruckt von der Geschichte, dem Mut, der Stärke und dem Freiheitswillen dieser Frau. Zum Anlass des 100-jährigen Todestages und des 100-jährigen Jubiläums des Frauenwahlrechts finde ich, dass eine historische Anerkennung sehr wichtig ist. Zu oft sind Frauen in der offiziell niedergeschriebenen Geschichte verschwiegen worden. Als ich von der Möglichkeit erfuhr, dass die Deutsche Post anbietet, eigene Briefmarken erstellen zu lassen, kam mir die Idee. Eine Malerei ist fest an einem Ort, nur eine geringe Anzahl von Menschen können sie sehen, eine Briefmarke reist um die Welt und wird von vielen Menschen gesehen.

Auch heute, 100 Jahre nach Luxemburg, überwiegt im öffentlichen Raum immer noch deutlich die Ehrung von Männern (mit Denkmälern, Straßen- und Schulnamen etc.). Soll Ihre Briefmarke ein Gegengewicht zu dieser männlichen Dominanz setzen? Natürlich besteht der Wunsch, diese männliche Vorherrschaft zu bekämpfen, obwohl mir bewusst ist, dass eine Briefmarke nur ein kleiner Tropfen ist. Aber manchmal kann dieser einen Fluss überfluten lassen. Die Figur von Rosa Luxemburg interessiert mich besonders, weil sie neben ihrem politischen Engagement auch sehr mutig in ihren Entscheidungen im Privatleben war: Sie lehnte die Ehe ab, führte freie Beziehungen zu jüngeren Männern – Dinge eben, die moralisch verurteilt wurden. Idealerweise möchte ich, dass dieses Projekt keine Ausnahme wird. Ich möchte, dass diese Briefmarke die erste in einer Reihe ist und jedes Jahr eine Briefmarke entsteht, um eine Frau zu ehren.

Kann man bei der Post einfach so Vorschläge für eine Briefmarke einreichen? Ja, kann man – einfach so. Die Deutsche Post bietet die Möglichkeit an, eigene Briefmarken zu machen. Auf deutschepost.de kann man wählen, wie viele Briefmarken man möchte und mit welchem Porto-Wert, und die Marke dann selber gestalten.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Sie sind Pariserin, wie kamen Sie nach Kreuzberg? Ich bin vor zwölf Jahren hier gelandet. Es war nicht der Anfang meiner deutschen Geschichte: Ich bin in Trier geboren und zum Teil in Deutschland groß geworden. In den Neunzigern war ich sehr oft in Berlin und beeindruckt von der unglaublichen Freiheit dieser Stadt. Zehn Jahre später entschied ich mich für den Sprung und zog nach Berlin. Paris ist eine sehr schöne Stadt, eindeutig schöner als Berlin, aber statisch: Es gibt weniger Platz, um etwas zu probieren, zu spielen, zu forschen… Berlin war all das – ein freies Gelände. In den letzten Jahren hat sich die Situation geändert und Berlin nähert sich mehr und mehr anderen europäischen Hauptstädten an: weniger Kreativität, mehr Business, teurere Mieten. Was mich damals nach Berlin zog, verschwindet langsam, aber gleichzeitig ist Berlin „meins“ geworden. Ich kann mich nicht als Deutsche bezeichnen, aber eindeutig als Berlinerin.

Bild: Jeanne Fredac

Wenn Sie Fredacs Kampagne unterstützen möchten, können Sie das auf startnext.com tun.

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-c.bodisco@tagesspiegel.de