Nachbarschaft
Veröffentlicht am 05.03.2020 von Corinna von Bodisco

Das „Bergmannstraßenfest“ in Berlin-Kreuzberg war eine Berühmtheit. Doch jetzt gibt es Neuerungen – und einen anderen Namen. Im Tagesspiegel-Newsletter für Friedrichshain-Kreuzberg sprachen wir mit dem künstlerischen Leiter. Hier das Interview.
Manfred Pokrandt wird von allen „Manne“ genannt und ist eigentlich Diplom-Mathematiker. Doch nach seinem Studium widmete er sich sofort der Musik. Seit 1986 betreibt er das „Studio 1058“ und spielt den Bass bei „Engerling“, der 1975 in Ost-Berlin gegründeten Bluesrock-Band.
„Wenn wir mal nicht gespielt haben, war ich beim Bergmannstraßenfest“, erzählt mir Manne im Vereinszimmer-Café in der Kreuzbergstraße. 2019, als das Bergmannstraßenfest in die Kreuzbergstraße umzog, übernahm er die Künstlerische Leitung.
Wie bist du mit dem Bergmannstraßenfest in Kontakt gekommen? „Ganz früher war ich beim Straßenfest selbst Gast – um mir Musik anzuhören, ein Bier zu trinken, etwas zu essen. Schon damals dachte ich, dass es ein tolles Fest ist. Das Bergmannstraßenfest gab es 25 Jahre, bevor es in die Kreuzbergstraße umzog. Ich war 15 Jahre für die Technik zuständig, habe mich um die Beschallung der Bühnen gekümmert und auch selbst gemixt. In meinem ersten Jahr war ich extrem aufgeregt und dachte: um die 100.000 Leute unterwegs, vier Bühnen, 50 Bands – das ist ja ein Riesenrummel! Da ich aber immer gerne neue Türen aufstoße, meinte ich – okay, mache ich.“
2018 hat sich der Betreiberverein „Kiez und Kultur“ aufgelöst. „Dafür gab es verschiedene Gründe, einigen war der Stress zu viel. Ich meinte dann: Wir haben das Festival jahrelang mit so viel Liebe zum Detail aufgebaut. Es wäre schade, würde man es beenden.“
Was hat sich letztes Jahr geändert? „Alles war anders. Der neue Verein „Kreuzberg Festival“ wurde gegründet, es gab neue Zuständigkeiten. Parallel gab es das Begegnungszonen-Projekt. Die Stellflächen für die Stände wurden durch die Parklets extrem eingeschränkt. Wir mussten aus der Bergmannstraße raus, weil sich das Festival finanziell selbst trägt und zwar ausschließlich über die Stände der Händler. Für uns war es ein Fragezeichen, ob die Händler mit ziehen. Es ist eine große Herausforderung, die Gelder für die Bands, die Technik, die Bühnen und das Drumherum zusammenzubekommen.“
Was fällt unter das Drumherum? „Strom, Wasser, Sanitäter, Absperrungen, Toiletten, Müll, Straßenreinigung, Security, Straßennutzungsgebühr, Gema und das kostenlose Programmheft.“
Im Abgeordnetenhaus war das Fest und dessen Finanzierung bereits Thema. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann teilte dem Hauptausschuss mit, es wurde seitens der Veranstalter noch nicht danach gefragt. „Unser Budget ist immer absolut knirsch. Letztes Jahr haben wir versucht, Fördermittel von Musicboard zu beantragen. Die plädieren dafür, dass Musiker für einen Bühnenauftritt mindestens 200 Euro bekommen sollen. Das würde ich sofort unterstützen, aber mit unseren Mitteln können wir das nicht zahlen. Da die Musiker das Festival als Plattform schätzen, bewerben sie sich trotzdem.“
Was wünscht ihr euch vom Bezirk? „Ein finanzielles Entgegenkommen wäre wunderbar. Wir sollten zum Beispiel mit der Bezirksbürgermeisterin klären, ob uns die Straßennutzungsgebühr erlassen werden könnte. Und eine Runde zur Zukunft des Festivals mit den Politikern machen.“
Was ist mit dem Namen? „2019 hieß es ‚Bergmannstraßenfest dieses Jahr in der Kreuzbergstraße‘. Damit wurde signalisiert, dass noch nicht endgültig entschieden war, ob wir zurückziehen. Die Begegnungszonen wurden zurückgebaut, aber es gibt noch viele Fahrradständer und Einschränkungen an den Kreuzungen. Etwa 30 Prozent der Standflächen würden fehlen, da kommen wir mit dem Budget nicht hin.“
Jetziger Stand ist, ihr bleibt in der Kreuzbergstraße? „Ja, der neue Standort wurde auch sehr gut von den Besuchern angenommen. Die Straße ist breiter, der Park ist da. Bei der Bühne Katzbachstraße lagen die Leute sonntags auf der Wiese und haben Musik gehört. Der Auf- und Abbau ist einfacher, die Lkws können unkompliziert fahren. In der Bergmannstraße war es immer ein riesiger Zirkus, wie sie umeinander herum fahren mussten.“
Gibt es einen Haken? „Der Wermutstropfen ist, dass wir die international bekannte Marke ‚Bergmannstraßenfest‘ aufgeben müssen. Jetzt müssen wir den neuen Namen erst mal streuen: Das Fest heißt jetzt ‚Kreuzberg Festival‘ und setzt die Tradition des Bergmannstraßenfests fort.“
Ein großer Kommunikationsaufwand? „Ja, Social Media Kanäle, Logo, Verträge – überall muss der neue Name stehen.“ – Interview: Corinna Bodisco
- Das „Kreuzberg Festival“ findet vom 26.–28. Juni 2020 in der Kreuzbergstraße statt, die Anmeldung für Händlerinnen und Händler läuft seit Ende Februar: kreuzberg-festival.de.
Dieser Text erschien zuerst im Tagesspiegel-Newsletter für den Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Mehr als 180.000 Haushalte habe unsere Bezirksnewsletter schon abonniert. Unsere Newsletter, Bezirk für Bezirk, gibt es kostenlos und in voller Länge hier: leute.tagesspiegel.de
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