Nachbarschaft
Veröffentlicht am 16.04.2020 von Corinna von Bodisco

Michael Osterhoff, Kulturwissenschaftler, aus Kreuzberg 61 arbeitet schon seit 15 Jahren als Biografiefilmemacher.
„Da wir derzeit keine Biografiefilme produzieren können, nutzen wir das Telefon als Aufnahmequelle“, erklärt er. Anfang April startete er deswegen mit Judith Osterhoff, Jan Bäss und Maggie Arndt das Projekt „Telefonieren gegen das Vergessen“.
Kann jeder und jede Person bei Euch anrufen – oder habt Ihr eine bestimmte „Zielgruppe“, deren Biografien euch besonders interessieren? Unser Projekt bietet allen Interessierten während der Kontaktsperre die Möglichkeit, über ihre Lebensgeschichten, Überzeugungen und Zukunftsideen zu reden. Es ist vor allem aber für diejenigen gedacht, die alleine sind, den ganzen Tag am selben Tisch sitzen und dieselben Wände sehen. Das Erinnern an Episoden des eigenen Lebens kann eine Abwechslung sein. Oder ein Geschenk an sich selbst, Freunde, Familienmitglieder und für zukünftige Generationen.
Wann und wo kann angerufen werden? Interessierte können auf every-word.de einen oder mehrere Telefon-Termine buchen. Auf der Webseite haben wir auch Fragen zur Vorbereitung auf das Gespräch gelistet. Sobald wir die Buchung und die Telefonnummer erhalten haben, rufen wir zum gewünschten Termin an. Wir sind aber auch direkt unter der 0172-4241238 für Terminvereinbarungen erreichbar. Wichtig zu wissen: Die Telefonnummern werden nicht an Dritte weitergeben!
Wie verarbeitet Ihr das Material anschließend? Ein Film wird ja nicht produziert. Leider nicht. Aber die Stimme am Telefon kann sehr viele Emotionen transportieren. Das Gespräch nehmen wir nach der Einwilligung auf, schneiden es und schicken es dem Interviewpartner zur Kontrolle zu. Wahlweise auch einem Freund oder Familienmitglied mit Email-Adresse. Wenn wir die Zustimmung haben, wird das Gespräch für ein Podcast- oder Buchprojekt genutzt.
Und wenn jemand seine Geschichte nur im privaten Raum und nicht öffentlich hörbar machen will? Das akzeptieren wir natürlich und werden das Gespräch trotzdem so aufbereiten, dass es als Erinnerungsschatz aufbereitet zur Verfügung gestellt werden kann. Ich bin mir sicher, dass die eigene Familie oder nahe Freunde sich auch in Jahrzehnten noch über die Stimme und die Geschichten freuen werden, die während dieser Zeit von uns aufgenommen wurden.
Die Telefoninterviews sind ein kostenfreies Angebot, das Team freut sich über Spenden.
Text: Corinna von Bodisco, Foto: privat
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