Nachbarschaft

Veröffentlicht am 20.08.2020 von Nele Jensch

Die Journalistin und Schriftstellerin Zora del Buono ist gebürtige Schweizerin und lebt seit den 80er Jahren in Berlin. Damals genoss sie vor allem das Nachtleben, heute dreht sie am liebsten im Morgengrauen eine Runde mit ihrem Hund im Viktoriapark. In ihrem neuesten Roman „Die Marschallin“ erzählt del Buono ihre Familiengeschichte: wie ihr Großvater, ein Arzt, den jugoslawischen Präsidenten Tito behandelte und gemeinsam mit ihrer Großmutter gegen den Faschismus Mussolinis kämpfte.

Sie sind nicht nur Redakteurin des Magazins „mare“, sondern haben es auch mitbegründet. Bereitet Ihnen die Arbeit daran nach knapp 25 Jahren immer noch Freude? „Es ist wie mit einer guten Freundschaft: Das Zusammensein ist im Laufe der Jahre unaufgeregter, aber auch solider geworden. Die Anfangszeit war vibrierend, wir hatten ja alle keine Ahnung, wie man eine Zeitschrift macht. Es war viel learning by doing dabei. Ich erinnere mich gut, wie es damals von alten Medienhasen hieß: „Wie, ihr wollt alle zwei Monate über das Meer berichten? Da gehen euch schnell die Themen aus.“ Das Gegenteil ist der Fall: Uns fallen immer mehr Geschichten rund ums Meer ein. Auch das Kulturressort, das ich im Viermonats-Turnus mit einer Kollegin betreue, ist randvoll mit Geschichten, die es zu veröffentlichen gilt. Und natürlich sind die Mitstreiter*innen nach all den Jahren zu Freunden geworden. Das beglückt.“

Neben Artikeln schreiben Sie Reisebücher und Romane, gerade erschien „Die Marschallin“ bei C.H. Beck. Darin erzählen Sie die bewegte Geschichte Ihrer Großmutter – verraten Sie uns kurz, worum es im Roman geht? „Meine Großmutter Zora war eine Slowenin, die es der Liebe wegen nach Süditalien verschlagen hat. Die Großeltern waren Kommunisten, aber sie waren auch wohlhabend, also eigentlich das, was man Salonkommunisten nennt. Mein Großvater war Arzt und in seiner Klinik in Bari hat sich viel Zeitgeschichte abgespielt: Der jugoslawische Präsident Josip Broz Tito war sein Patient, das Haus wurde zum Lazarett für Kroaten, die Ende des Krieges vor den Faschisten nach Ägypten flüchten mussten, es war aber auch Treffpunkt einer mondänen Gesellschaft. Meine Großmutter war die gefeierte Grande Dame dieser Welt – bis zu dem Zeitpunkt, als ihr alles entglitt und das Familiendrama begann.“

Sie bezeichnen sich selbst als „Schweizer Alt-Kreuzbergerin“ – wann und wie hat es Sie nach Berlin verschlagen? „Ich habe an der ETH Zürich Architektur studiert und wollte 1987 nur für ein Gastsemester an die HdK kommen, war aber schlagartig so verknallt in die dunkle Stadt, dass ich blieb. Natürlich hat mich das West-Berliner Nachtleben fasziniert, ich habe vorwiegend nachts gelebt – wie alle in meinem Umfeld. Wahrscheinlich ist das eine Verklärung, denn immerhin habe ich den Studienabschluss geschafft und danach in einem Kreuzberger Architekturbüro gearbeitet, bis dann eben der Wechsel zum Schreiben kann. Es hat also auch ein Tagleben gegeben.“

Was schätzen Sie besonders am Bergmannkiez, in dem Sie seit Jahren fest verankert sind? Haben Sie einen Lieblingsort? „Am allerliebsten mag ich den Viktoriapark kurz nach Sonnenaufgang. Da drehe ich mit meinem Hund Mica und einer Kaffeetasse in der Hand die erste Runde und betrachte Bäume und Vögel, oft hängt noch der Morgentau über allem. Es sind immer die selben wenigen Frühaufsteher unterwegs, die aber alle auch nicht reden wollen, weil sie noch zu schläfrig sind. Das ist ganz wunderbar.“ – Foto: Stefan Bohrer, Text: Nele Jensch
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