Nachbarschaft

Veröffentlicht am 14.04.2022 von Corinna von Bodisco

Gerd Schmitt koordiniert seit mehr als zwei Jahren das Kiezbüro „Miteinander leben im Samariterkiez“. Er wohnte selbst jahrelang im Kiez, kommt heute aber aus Oberschöneweide zum Büro geradelt. Das Kiezbüro in der Rigaer Straße wurde 2018 auf Wunsch der Anwohner*innen durch die Stiftung SPI eingerichtet und dient als erste Anlaufstelle für alle Menschen im Kiez. Unterstützt wird die Vernetzung sowie das freiwillige Engagement der Anwohner*innen.

Herr Schmitt, wie würden Sie den Samariterkiez in wenigen Sätzen beschreiben? Ein Initiativen-Verbund, mit dem das Kiezbüro eng zusammenarbeitet, nennt sich SamariterSuperKiez. Ich finde, dieser Name fasst den Kiez ziemlich gut zusammen. Es ist ein lebendiger Kiez, in dem sich eine vielfältige Bevölkerung von Alteingesessenen, Zugezogenen, Neuzugewanderten und Reisenden findet. Sie leben in gemieteten oder gekauften Wohnungen, besetzten, selbstverwalteten oder gemieteten Häusern und Wagenburgen sowie in Hostels, Neu-, Platten- und Altbauten. Es gibt hier viele Menschen, die sich enorm für das Samariterviertel engagieren. Für sie geht es darum, den Kiez von morgen mitzugestalten und dazu beizutragen, ihn lebenswerter und nachhaltiger zu machen. Zugleich befindet sich der Samariterkiez im Umbruch und die Menschen haben mit den Schattenseiten der Gentrifizierung zu kämpfen, also mit hohen Mieten und steigenden Lebenshaltungskosten.

Warum braucht es ein Kiezbüro als Anlaufstelle? Das Kiezbüro versteht sich als Vermittlerin zwischen den Anwohnenden und der Verwaltung. Das ist eine Aufgabe, die in jedem Kiez wichtig ist. Denn häufig ist die Verwaltung in der Wahrnehmung der Anwohnenden sehr weit weg von den Bedürfnissen der Menschen und viele wissen gar nicht, wen sie eigentlich wie ansprechen können, um z.B. den Verkehr im Kiez zu beruhigen oder Parkplätze in Hochbeete umzuwandeln. Das Kiezbüro hat hier den Anspruch, für alle Menschen im Kiez ansprechbar zu sein und übernimmt bei den Anliegen und Ideen die Kommunikation mit den verschiedenen Stellen in der Verwaltung – sei es, um eine Frage zu klären oder ein konkretes Projekt anzuschieben. 

Was sind die Herausforderungen im Kiez? Zentrale Herausforderungen im Kiez, zu denen das Kiezbüro bisher mit vielfältigen Initiativen zusammengearbeitet hat, sind z.B. die Beteiligung von Anwohnenden bei Vorhaben der Stadtentwicklung, die Klimakrise mit ihren drastischen Folgen für die Umwelt im Kiez, der Müll im öffentlichen Raum, der große Mangel an öffentlichen Grünflächen und die daraus resultierenden Nutzungskonflikte sowie die Umsetzung der Mobilitätswende.

Wie können sich Interessierte einbringen? Grundsätzlich können sich alle Interessierten, die im Kiez leben und arbeiten, mit ihren Ideen und Fragen einbringen. Das geht zum Beispiel über die Sprechstunde, die ich jeden Dienstag von 10 bis 18 Uhr im Kiezbüro in der Rigaer Straße anbiete. Wichtig ist dabei, dass die Interessierten viel Eigeninitiative mitbringen, denn das Kiezbüro ist eher unterstützend tätig. Außerdem können sich Nachbar*innen in den bereits bestehenden Initiativen engagieren, die sich zum SamariterSuperKiez zusammengeschlossen haben. Das sind die AG Zero Waste im Samariterviertel, GreenKiez, die Initiative „Temporäre Spielstraße“, die Initiative „Verkehrsberuhigter Samariterkiez“, die Initiative „Untere Liebigstraße“ und die Initiative „Waldeyerstraße“.

Gibt es Projekte, die durch das Kiezbüro angeschoben wurden? Es gibt eine ganze Reihe an Projekten, die durch das Kiezbüro in Kooperation mit Initiativen angeschoben bzw. umgesetzt wurden. Das fängt bei der ökologischen Begrünung der Bänschpromande an und hört bei der Durchführung des nun regelmäßig stattfindenden Tauschmarkts vor der Samariterkirche auf. Sehr spannende und wichtige Projekte waren außerdem die Verkehrsberuhigung im Samariterkiez und die Neugestaltung der Fußgänger*innenzone in der Waldeyerstraße. In beiden Fällen hat das Kiezbüro die Bürger*innen-Beteiligung umgesetzt, wofür aufgrund von Corona eigens eine eigene Online-Beteiligungsplattform aufgebaut wurde. 

2021 stand die Finanzierung des Kiezbüros auf der Kippe. Wie hat sich das Problem gelöst? Bis Ende des Jahres 2022 ist die Finanzierung des Kiezbüros gesichert und das haben wir vor allem den Initiativen zu verdanken, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Sie haben sich Ende 2021 gegenüber der Verwaltung für das Kiezbüro starkgemacht, was mich persönlich total gefreut hat. Wie und ob es allerdings nach 2022 weitergeht, ist bisher leider unklar.

 

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