Nachbarschaft
Veröffentlicht am 02.06.2022 von Nele Jensch

Er war eine Schlüsselfigur des Wieder- und Neuaufbaus Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg: Der Architekt und Stadtplaner Egon Hartmann (1919 – 2009) plante unter anderem die heutige Karl-Marx-Allee (früher Stalinallee) in Friedrichshain und Mitte. Die Bezirkszentralbibliothek würdigt Hartmann nun mit einer Ausstellung.
Hartmann wurde 1919 in Reichenberg, damalige Tschechoslowakei, geboren. Im Zweiten Weltkrieg, an dem er als Leutnant der Reserve teilnahm, wurden Hartmann und seine Familie aus Böhmen vertrieben. Hartmann studierte ab 1942 in Weimar an der Hochschule für Baukunst und machte nach Kriegsende in der DDR rasch Karriere: Als Chefarchitekt des Landesprojektierungsbüros für Stadt‐ und Dorfplanung hatte er großen Einfluss auf die Nachkriegsplanungen vieler Städte und Orte.
Auch im Erfurter Regierungsviertel war Hartmann als Architekt tätig. Dort baute er unter anderem das Hochhaus für die Landesregierung, das heute Verwaltungssitz des Landtags ist. Es war das erste in der DDR gebaute Hochhaus außerhalb Berlins. Inzwischen steht es unter Denkmalschutz
1951 gewann Hartmann überraschend den Gesamtwettbewerb für die Planung der Ost-Berliner Stalinallee. Bei der Realisierung konnte er sich allerdings nicht gegen etabliertere Kollegen durchsetzen, baute aber zumindest die Blöcke B-Nord und -Süd. 1952 wurde Hartmann der Nationalpreis I. Klasse für Kunst und Literatur der DDR verliehen.
Das hielt Hartmann jedoch nicht davon ab, „rüberzumachen“: 1954 siedelte er mit seiner Familie in die Bundesrepublik über, wo er in Mainz und München führende Positionen der kommunalen Stadtplanung übernahm. In München plante Hartmann drei Entlastungsstädte sowie die Fußgängerzone in der Altstadt. Er gilt heute als eine „Schlüsselperson des Nachkriegsstädtebaus in Deutschland“, wie Sophie Wolfrum 2010 in einem Nachruf auf den im Vorjahr verstorbenen Architekten schrieb.
- Wann: 2. Juni bis 27. August 22
- Wo: Bezirksbibliothek Pablo Neruda, Frankfurter Allee 14 A
- Eintritt: frei
- Highlight: Der Verein Stalinbauten e. V. bietet öffentliche Führungen durch die Karl-Marx- und Frankfurter Allee an; am 5. Juni, 21. Juli und 11. August jeweils um 11 Uhr; die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung nicht notwendig; Treffpunkt: südwestlicher Ausgang “A” bzw. “II/2” der U-Bahnstation Weberwiese
- Infos (auch zum Rahmenprogramm): berlin.de
- Foto: Egon Hartmann 1990 im Martin-Gropius-Bau vor einer Isometrie aus seinem Beitrag zum westdeutschen Wettbewerb „Hauptstadt Berlin” 1958. Credit: IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, Nachlass Egon Hartmann; Fotograf unbekannt
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