Intro
von Robert Klages
Veröffentlicht am 05.03.2018
„… und dann haben damals also Menschen und diese Dampfautos in den Städten zusammengelebt?“, fragt Marigold-Jolanda ihren Vater ungläubig. „Ja, natürlich, das war ganz normal“, sagt der, lacht und schließt das alte Foto mit einer Straßenszene aus Berlin. „Aber niemand sagte ‚Dampfautos‘. Das waren Diesel- oder Benzinmotoren. Und jetzt komm bitte, ich bring dich noch zur Straße.“ Die beiden verlassen das Haus, die Tochter sucht auf einer App das nächste verfügbare Elektromobil ihres Anbieters und steigt in das autonom-fahrende Vehikel ein. Wir schreiben das Jahr 2050.
Noch ist das Auto ein „zweites Wohnzimmer“, ein Statussymbol für die individuelle Nutzung. In Zukunft könnten sich alle Stadtbewohner*innen die Autos teilen, wie beim wachsenden Carsharing. Ähnlich wie bei einem Mobilfunkanbieter könnten verschiedene Tarife und Qualitäten gebucht werden – aber alle Teilnehmer*innen nutzen ein und dasselbe Netz. Utopie oder Dystopie? Was meint ihr?
Oder Berlin wird zur Fahrradstadt, wie wäre es damit? Die ersten Weichen sind schon gestellt worden, bald sollen vom sonstigen Verkehr abgegrenzte Fahrradschnellwege entstehen. „Berlin kann in Sachen Auto eigentlich nicht weiter wachsen“, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) jetzt bei der „Nacht der Politik“ im Rathaus Lichtenberg. „Wir müssen unsere Mobilität wechseln.“ Der Diskussion, den Fahrradverkehr sicherer zu machen, müsse sich Berlin stellen. Wer in die Diskussion einsteigen möchte: hier entlang bitte.
Als Vorbild wird immer wieder Kopenhagen genannt. Monika Herrmann (Die Grünen), Bezirksbürger*innenmeisterin (Zur „Gender-Debatte“ bitte hier entlang) von Friedrichshain-Kreuzberg, schwärmt seit einem Besuch in der Hauptstadt Dänemarks von der fahrradfreundlichen Infrastruktur. Könnte es also bald heißen: „Copenhagenize it“? Manch andere, die schon mal dort waren, berichten jedoch, man müsse schon „ein sehr guter Fahrradfahrer“ sein, um dort gut durch die Stadt zu kommen. Denn Berufsverkehr bliebe Berufsverkehr, ganz egal, wie viele Räder oder Pferdestärken man habe. Auch dieser Bericht der „Welt“ (von 2014) beschreibt die Lage vor Ort als nicht gerade entspannt.
Berlin jedenfalls wird sich verkehrstechnisch verändern. Fahrradaktivist*innen fordern, dass das Veloziped ein gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer neben Auto und ÖPNV wird. Entwicklungshistorisch hat sich allerdings schon einiges getan, wenn man sich mal die Deutsche Straßenbaurichtlinien von 1956 ansieht. Dort heißt es: „Mopeds, Radfahrer und Fußgänger sind als seitlich bewegliche Hindernisse zu betrachten, die die Fahrbahnbreite vermindern.“ In diesem interessanten Beitrag nachzulesen. Heute genießen Fahrradfahrer*innen schon mehr Akzeptanz.
Trotzdem ist vielen das Radfahren in Berlin noch zu gefährlich. So auch Heike Wessoly von der CDU Lichtenberg. Die fährt nämlich nur im Urlaub Fahrrad. Sie findet auch, dass sich das ändern sollte. Auch Hendrikje Klein von der Linkspartei meint: „Bestimmte Teile des Straßennetzes sind noch unzureichend gesichert.“ Das „Netzwerk Fahrradfreundliches Lichtenberg“ fordert: „Sichere Radwege, jetzt! … in Lichtenberg und überall“. Die Siegfriedstraße beispielsweise soll einen geschützten Radweg bekommen, so die Aktivist*innen. Eben dort startet auch ihre Demo am 15. März um 15.30 Uhr. Von dort aus wird es einen Radkorso geben bis zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in der Max-Taut-Aula.
Robert Klages ist freier Mitarbeiter beim Tagesspiegel. Schreibt ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf Facebook und Twitter und Instagram. Einblick in seine literarischen Bemühungen findet ihr auf Robert-Klages.de.