Intro
von Robert Klages
Veröffentlicht am 16.04.2018
„Egal was du machst, egal was du sagst, du bist Teil dieser Zeit, du bist Teil des Problems, gib dein Königreich auf. Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Es ist 2018, bleibt alles scheiße.“ Ein Textauszug samt Adorno-Zitat aus dem Song „2018“ der Band „Kafvka“.
„Wir sind politische Menschen“, sagt Sänger / Rapper Jonas. „Und das spiegelt sich natürlich in unseren Texten wider.“ Ihr Proberaum liegt im Lichtenberger Industriegebiet. Da ist abends nicht mehr viel los. Ich habe sie dort besucht. Als ich ankomme, gehen wir erstmal rauf aufs Dach des Gebäudes, dort waren sie vorher auch noch nicht. Der Blick über Lichtenberg beim Sonnenuntergang.
„Lichtenberg Lichtenberg!“, beginnt auch einer ihrer Songs. Eine Persiflage auf die Beatsteaks. Die haben ein Lied, da heißt es „Kreuzberg Kreuzberg!“. Kafvka-Bassist Phil ist erst kürzlich umgezogen, raus aus dem Weitlingkiez – also ihm wurde die Miete erhöht und er musste umziehen. Die anderen wohnen in Wedding und Neukölln. Der einzige Ur-Lichtenberger hat vor kurzem die Band verlassen.
Dann gesellt sich „Herr Dr. Polle“, der Tontechniker zu uns. Er ist Single und mag Pflanzen, sagt er. Ich soll das gerne so schreiben, sagt er. Bevor geprobt wird, wird erstmal über aktuelle Themen geredet und angestoßen. „Anscheinend gibt es Menschen, die Menschenrecht verdienen. Und andere eben nicht, aufgrund von Zufall des Gebietes.“ Das wurde nicht diskutiert, sondern ist eine weitere Textzeile aus einem Lied. Passt irgendwie zu einem meiner Artikel, den ich am Tag meines Proberaumbesuchs veröffentlicht hatte. „90er-Kids. Rap. Gitarre. Beats. Und Politik.“ So beschreibt sich die Band selbst. Rapper Jonas hat die bundesweite Organisation „Flüchtlinge Willkommen“ gegründet, die Geflüchteten WG-Zimmer vermittelt. „Wir versuchen also auch zu leben, was unsere Musik ausdrückt.“
„Ohne politische Statements wäre Musik langweilig“, meint Drummer Stephan. Keine Texte über Liebeskummer, keine Balladen, sondern „Crossover ins Gesicht“ soll es sein. Obwohl: doch, eine Ballade haben sie schon. „Egal was passiert“ auf dem neuen Album „2084 – Gib dein Königreich auf“, das am 27. April erscheinen wird. Ich habe schon mal reinhören können, musste dafür den CD-Player entstauben. Hat sich gelohnt: liegt gut im Ohr.
Kafvka hat sich nicht als „Anti-Rechts-Band“ gegründet. „Aber wir richten uns gegen den Alltagsrassismus, das ist uns wichtig“, sag Rapper Jonas. Spätestens seit dem Lied „Fick dein Volk“. Dort heißt es: „Fick dein ‚Wir sind das Volk‘ Geschrei! Es gibt kein Volk, du bist allein. Du pflegst deinen Hass wie ein Haustier. Du bist Faschist! Ihr seid nicht das Volk. Das Volk bildet ihr euch ein. Ihr seid allein!“
Alltagsrassismus: den gibt es auch in Lichtenberg natürlich. (Eine aktuelle Statistik findet sich in der Rubrik „Namen und Neues“ weiter unten.) Im Bezirk sei schon vieles besser geworden, es sei hier immerhin keine Nazi-Hochburg mehr, wie früher, meint Drummer Stephan. Heute sehe man keine Leute mehr mit Bomberjacke. Aber welche mit T-Shirts von „Böhse Onkelz“ oder „Freiwild“.
Aber er wolle da nicht „schubladisieren“, sagt er und ich habe ein neues Wort gelernt: schubladisieren. „Die können ruhig Freiwild hören“, sagt dann Jonas. „Es geht ja nicht nur darum, Rassismus zu kritisieren.“ Es ginge auch immer darum, die eigene privilegierte Position zu verarbeiten und darüber zu schreiben.
„Es soll kein Zeigefinger-Modus sein“, sagt er. „Ich sage zwar: Kauft nicht bei H&M. Aber am Ende sage ich auch nicht, wie man sich verhalten soll.“ So kritisiere er in seinen Texte das Reiseverhalten der Europäer, reise aber auch selber durch Kambodscha. Das Thema wird auch im neuen Video thematisiert, das letzte Woche erschienen ist: „Batikhose.“
Der Vergleich mit „Rage Against The Machine“ liegt bei „Kafvka“ nahe, ich trau mich kaum, ihn zu äußern. Doch das sei ok, sagt die Band. Das würden sie natürlich öfter hören. Und es sei immerhin ein Kompliment, Rage eine gute Band, die ja auch sehr politisch gewesen sei. Auch mit „Ton Steine Scherben“ werden sie wie selbstverständlich verglichen. Den „Rauchhaussong“ haben sie auf dem letzten Album gecovert. Gentrifizierung, ein weiteres Thema in ihren Texten.
Bald startet die Tour, Lichtenberg ist nicht dabei. „Wo sollten wir hier auch spielen?“, fragt Bassist Phil. Früher sind sie mal in der „Linse“, einem Jugendclub, aufgetreten. Und sie würden es wieder tun, und ohnehin sehr gerne in Lichtenberg spielen. Unterdessen haben sie die großen Festivals mitgenommen, Rock am Ring etc. Am 2. Juni dann im „Badehaus Szimpla“ auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain, das sei ja fast Lichtenberg.
Robert Klages ist freier Mitarbeiter beim Tagesspiegel. Schreibt ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf Facebook, Twitter und Instagram zu finden.