Intro
von Robert Klages
Veröffentlicht am 18.06.2018
am Donnerstag könnt ihr Musik auf der Straße machen. Das könnt ihr sonst auch, ihr braucht aber eigentlich erst eine Genehmigung und dürft nicht länger als 30 Minuten an einem Ort spielen. Am Donnerstag ist Fête de la Musique – und daher herrscht an diesem Tage ein Hauch von Anarchie, was das Musikmachen angeht. Aber bevor ihr jetzt die E-Gitarre und den Verstärker rausholt und Stairway to Heaven einübt – bitte nur „unverstärkt“. Also mit der Akustik-Leier. Und bevor ihr auf die Straßen rennt: Autos fahren am Donnerstag natürlich auch noch. Sucht euch also einen sicheren Platz auf dem Bürger*innensteig, oder am Fenster der Wohnung, oder in einer Bar, in der U-Bahn, auf einem Garagendach.
Ihr dürft das! Es ist Fête de la Musique. Aber nur zwischen 16 und 22 Uhr. Auch „spontan“ ist es möglich, wie die Veranstalter*innen schreiben. Also hier der Aufruf zur Spontanität: Seid spontan – am Donnerstag zwischen 16 und 22 Uhr. Wenn ihr es schafft, könnt ihr gerne sechs Stunden durchmusizieren – ich wüsste nicht, dass eine zeitliche Begrenzung angegeben wurde. „Allerdings gilt natürlich nach wie vor, dass man Rücksicht auf Nachbarn und Anwohner und Mitmenschen nehmen sollte“, so die Veranstalter*innen. Ihr könnt nicht alle zur selben Zeit Musik am selben Ort machen, oder vor der Tür eures Nachbarn Geige spielen.
Das Programmheft der Fête wurde übrigens in Zusammenarbeit mit einem Obdachlosenmagazin produziert und wird auch von Obdachlosen in den Bahnen verkauft werden. Diese können dafür so viel Geld nehmen, wie sie möchten und die Einnahmen behalten.
Niemand muss zur Fête den Bezirk Lichtenberg verlassen. Einige bisher zeitlich feststehende, unspontane Termine für den Bezirk findet ihr im „Tipp der Woche“. In der Rubrik „Nachbarschaft“ die Band „Yvy“, die in der Bar „Zum Schwalbenschanz“ auftreten wird. Ich hab die zwei Musiker*innen vorab in ihrem Proberaum besucht.
Im Tagesspiegel findet ihr am heutigen Montag mein Interview mit Kurator Björn Döring sowie meinen Artikel über Lichtenberg als Musikstandort, hier der Link zum Epaper.
Diskussionen gibt es noch zum Wartenberger Hof. Dort ist vor einiger Zeit Björn Höcke aufgetreten. Nun nimmt der Hof an der Fête teil. Hier nochmal das Intro zum Thema aus der letzten Woche. Ich habe einige Schreiben bekommen: Warum kann der „Höcke-Hof“ bei einer Veranstaltung mitmachen, die für Multikulti steht? Bezirksbürger*innenmeister Michael Grunst (Linke) sagte, er vertraue auf das Wort von Inhaber Michael Schmidt, dass er die AfD nicht mehr ins Haus lassen werde.
Fête-Kurator Döring sagt: „Wenn man den Wartenberger Hof ausgeschlossen hätte, wären all die Menschen bestraft worden, die an diesem 21. Juni gern in Wartenberg Live-Musik und den Esprit der Fête de la Musique genießen möchten. Ein Ausschluss würde doch die Vorurteile der Menschen bestätigen, die aus politischen oder demagogischen Gründen ohnehin dauernd behaupten, ausgeschlossen zu werden – und damit würde man indirekt mithelfen, dass deren Filterblasen-Mentalität bestätigt wird. Die Fête de la Musique steht für ein internationales, weltoffenes, tolerantes und inklusives Weltbild, das unserer Erfahrung nach auf die Orte ausstrahlt, an denen an diesem Tag Konzerte stattfinden. Wo kämen wir denn hin und was für ein trauriges Zeichen wäre es, wenn Orte vom Kulturleben ausgeschlossen werden, weil dort Demagogen – von deren Aussagen und Weltbild wir uns explizit und drastisch distanzieren – auftreten. Die Fête de la Musique ist bunt – und das soll auch in Wartenberg am 21. Juni der Fall sein. Wir wollen niemanden ausschließen – es sei denn, er oder sie äußert sich rassistisch, verstößt gegen gute Sitten oder die demokratische Grundordnung.“
Robert Klages ist freier Mitarbeiter beim Tagesspiegel. Schreibt ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf Facebook, Twitter und Instagram zu finden.