Intro

von Robert Klages

Veröffentlicht am 17.09.2018

„Befreit uns nochmal“ heißt ein Werk der Künstlerin Susanne Lorenz. Es besteht im Grunde nur aus einem Sockel, ein kleines Podest, begehbar, man soll sich daraufstellen. Es soll eine Bühne sein. Vorne drauf der Satz, der 1985 auf ein Panzer-Denkmal in Schwerin gemalt wurde, das nach dem Zweiten Weltkrieg zur Erinnerung an den Sieg der Roten Armee errichtet wurde. Die Aufschrift „Befreit uns nochmal“ knüpfte an diesen Sieg an und zugleich an die Reformpolitik des sowjetischen KP-Chefs Michail Gorbatschow. So beschreibt es das Stasi-Unterlagen-Archiv Schwerin.

Ein Foto von dem Panzer samt Schriftzug ist auch im Lichtenberger Stasimuseum zu sehen, wovon sich Lorenz hat inspirieren lassen. Mehr über die Künstlerin findet man auf ihrer Website. Was aus dem T34-Panzer wurde und wo er nun steht, kann hier nachgelesen werden. 

„Der Schriftzug ist nicht nur historisch bedeutsam, sondern entfaltet eine enorme Aktualität bezüglich der Frage nach dem derzeitigen UNS, dessen aktiver und passiver Rolle, sowie dem WOVON“, sagt Lorenz zu ihrem Werk. Ihr Sockel soll eine „Probebühne“ sein, auf der Haltungen und Kommentare zur Diskussion und Ausführung kommen.

„Bedarf besteht unbedingt“, meint Lorenz. Eine Besucherin der Ausstellung stellte sich am Dienstag sogleich hinauf und bat um die Befreiung vom derzeit leider wieder erstarkten Rassismus in Deutschland. Parteien wie die AfD oder die CSU erinnerten an die NSDAP. „Ich hoffe, dass sich Geschichte nicht wiederholt“, sagte sie und bekam Applaus. Mit dieser Meinung ist die Frau sicher nicht allein. Auch ein Holocaust-Überlebender beobachtet den Rechtsruck mit Sorge.

Müssen wir erneut befreit werden? Wovon und von wem? Wer dazu reden möchte, der Sockel wartet: Die Ausstellung „Urbane Vektoren, Skizzen einer politischen „Re/Konstruktion des Stadtraums“ läuft noch bis zum zweiten November. Neben dem Lorenzschen Sockel gibt es noch allerhand andere Kunstwerke zu sehen, montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr im Ratskeller vom Rathaus Lichtenberg. Mehr Infos hier.

Zur Eröffnung der Ausstellung erwartet wurde auch Bürger*innenmeister Michael Grunst (Linke), doch er kam nicht. Ein Missverständnis, schrieb er mir auf Twitter. 

Solltet ihr den Weg zum Sockel nicht gehen wollen, so kommt der Sockel auch zu euch: schreibt mir gerne einfach eine Mail mit eurer Meinung zum Thema, ich stelle das hier im Newsletter gerne zur Diskussion. Bitte schreibt mir, ob euer Beitrag veröffentlicht werden soll. Und wenn ja, ob mit Namensnennung oder nicht. Ich freue mich auf interessante Meinungen, wie immer an:

Robert Klages ist freier Mitarbeiter beim Tagesspiegel. Schreibt ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf FacebookTwitter und Instagram zu finden.