Intro
von Robert Klages
Veröffentlicht am 12.11.2018
sie sind die Feine Sahne Fischfilet aus Lichtenberg: Kafvka. Portrait lesen. Der Verfassungschutz ist da (soweit wir wissen) aber noch nicht dran. Würde allerdings nicht verwundern, zu Zeiten, in denen man nur „Marx“ an eine Wand schreiben muss, damit der Staatsschutz ermittelt (kein Scheiß) oder wenn die SPD vom Verfassungsschutzpräsidenten bzw. baldigem Ruheständler Hans-Georg Maaßen als „linksradikal“ bezeichnet wird. Ab wann wird man linksradikal genannt? Hier ein kurzer Faktencheck zur Lage.
„Wir sind ja nicht mal linksradikal“, singt Kafvka-Frontmann Jonas Kakoschke trotzdem sicherheitshalber mal im neuen Video, am Freitag anlässlich der angekündigten Neonazi-Aufmärsche zum Jahrestag der Reichspogromnacht veröffentlicht. Die Band will mit dem Song ein klares Statement abgeben und alle ermutigen auf die Straßen zu gehen. Sowas wünscht man sich eigentlich häufiger von Politiker*innen.
Aber naja, immerhin auf die Musik ist Verlaß. Im Gegensatz zu vielen Politiker*innen hat die Band keine Probleme Wähler*innen Hörer*innen aus dem rechten Rand zu vergraulen. Es gibt sie natürlich, die Stimmen gegen Rechts. Hier von Innensenator Andreas Geisel: „Ich versuche das zu tun, was alle überzeugten Demokraten tun müssen: Den rechten Spuk mit den Mitteln zu bekämpfen, die einem zur Verfügung stehen. Daran werde ich auch in Zukunft festhalten.“ Aber der ist ja auch von der SPD, also, laut Maaßen, linksradikal. Faktencheck: Der Mann ist so wenig links, der schickt Ausländer dorthin zurück, wo sie hergekommen sind.
„Alle hassen Nazis, alle hassen Nazis, das ist einfach nur normal.“ Der Refrain des neuen Kafvka-Songs. Hier bitte auf play drücken und weiterlesen. Ist es das wirklich? Warum muss die Band dann darüber singen? Sie singen ja auch nicht „Alle müssen atmen, alle müssen atmen, das ist einfach nur normal“.
Weil es eben doch nicht normal ist, gegen Nazis zu sein. Sollte es aber. Es sollte Grundkonsens einer Gesellschaft sein. (Mal abgesehen davon, dass es überhaupt keine Neonazis geben dürfte in einer funktionierenden Gesellschaft.) Ist es aber nicht. Und das ist scheiße. Rechte Kräfte im Land haben es geschafft, dass Linksradikalismus teilweise auf eine Stufe mit Rechtsradikalismus gestellt wird. Beides soll gleichermaßen verurteilt werden. Das Känguru von Mark-Uwe Kling hat es sarkastisch vorhergesagt, schon vor Jahren.
Bevor jetzt jemand beim Verfassungsschutz anruft: Natürlich sollten auch Anschläge auf Autos, Farbbeutelattacken etc. verurteilt werden. Die einzige Waffe soll das Wort sein (Musikinstrumente sind auch erlaubt). Es geht nur darum, dass man rechte Taten verharmlost, wenn man sie damit auf eine Stufe setzt. Ein Hakenkreuz an der Wand einer Unterkunft für Geflüchtete ist nicht gleichzusetzen mit Farbkleksen an Neubauten in der Rigaer Straße. Es geht darum, Linien zu ziehen, Narrative zu setzen und die Grenzen auszuloten.
Es sollte nicht sein, dass Opfern rechter Gewalt der Opferstatus abgesprochen wird. Wenn sogar der Chefredakteur der größten deutschen Zeitung sagt, auch Weiße Männer können Rassismus erfahren, so möchte man ihn nur für einen Tag in die Haut eines Ausländers stecken. Toller Kommentar dazu in der Spiegel-Kolumne von Margarete Stokowski: „Männer und Weiße können ungefähr alles auf der Welt haben, aber Diskriminierung können sie nicht haben. Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße.“
Ein weiteres Beispiel: „Ich lade Jerome Boateng nach Marzahn ein“, sagt der dortige CDU-Stadtrat Johannes Martin. Er könne „kein strukturelles Problem“ mit Rassismus in dem Bezirk erkennen. Genau hier liegt das Problem: Komm, schau, es gibt hier keinen Rassismus. Den Opfern rechter Gewalt werden ihre Erfahrungen mit Rassismus aberkannt und diese verharmlost. Und das von Teilen einer Partei, die dieses Land regiert. Viele zeigen sich blind für Rassismus. Wer verneint, dass es in Deutschland ein strukturelles Problem mit Rassismus gibt, bestätigt damit, dass es diesen gibt – und wohl leider noch eine lange Zeit geben wird.
Zurück zu Kafvka: Die waren nun auch in der RBB-Abendschau. Tom Spindler, anscheinend eine Legende, hat ein neues Label gegründet und will der Band „den Einstieg in das harte Business erleichtern“. Wenn die Jungs so weitermachen, werden sie mir übrigens zu groß. Daher soll das hier der letzte Beitrag über sie sein. Ich bin durch mit dieser Polit-Boygroup. Zwinker zwinker. Vergesst eure Wurzeln nicht, sagen die Neidischen. Beim Videodreh von „Alle hassen Nazis“ am Alexanderplatz war ich übrigens live dabei. Reiner Zufall, war ja Demo gegen rechts („unteilbar“). Mit ins Video wollte ich nicht. Nachher gerate ich da noch ins Visier des Verfassungsschutzes. Zwinker. Keine Pointe.
Robert Klages ist freier Mitarbeiter beim Tagesspiegel. Schreibt ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf Facebook, Twitter und Instagram zu finden.