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von Robert Klages
Veröffentlicht am 13.05.2019
SPD-Baustadträtin Birgit Monteiro gerät weiter unter Druck. Der FDP-Abgeordnete Stefan Förster fordert bereits ihre „Auswechslung“. Was ist geschehen? Es geht erneut um das Hausprojekt „Wartenburg“ im Gleisdreieck. Zuletzt hatte ich einen Artikel über die Wartenburg nachträglich ändern müssen. Denn es handelt sich wohl nicht, wie von Monteiro mir gegenüber zunächst geäußert, um ein Gewerbegebiet, sondern um ein gewerblich geprägtes Gebiet. Warum das ein wichtiger Unterschied ist, kann man hier nachlesen. Ich weiß, ein langer Newsletter-Text, lohnt sich aber hoffentlich um die Lage besser zu verstehen. Außerdem geht es darum, ob es sich bei dem Haus um ein Wohngebäude handelt, obwohl es länger nicht als solches genutzt wurde.
Monteiro sagte, Wohnen sei in dem Gebiet nicht zulässig. Das von ihr geführte Amt für Stadtentwicklung hat am 29. Januar 2019 eine Nutzungsuntersagung wegen illegalen Wohnens mit einer Zwangsgeldandrohung von insgesamt 45.000 Euro gegen die Eigentümer der Wartenburg verfügt und die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet. Nach der Auffassung des Bezirksamtes wurde das Gebäude Wartenbergstraße 22 so lange nicht genutzt und dem Verfall preisgegeben, dass der Bestandschutz für eine früher vorhandene Wohnnutzung entfallen ist und eine Wiederaufnahme der Nutzung einer neuen Baugenehmigung bedarf. Das schrieb mir am Freitag nochmal Christian Paulus, Referent der Bezirksstadträtin Monteiro.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat jedoch am 23. April 2019 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die sofortige Vollziehbarkeit der Zwangsgeldandrohung ausgesetzt. Solange der Widerspruch des Hausprojekts gegen die Zwangsgeldandrohung bearbeitet wird, kann die aktuelle Nutzung fortbestehen. Die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung an sich wird jedoch erst noch in einem Widerspruchsverfahren und in einem sich ggf. anschließenden Klageverfahren überprüft werden. Da ist also noch lange nicht das letzte Wort gesprochen.
„Es handelt sich bei dem Gebäude um ein Wohngebäude“, sagt Sebastian Schlüsselburg, Abgeordneter der Linken. Er hat Akteneinsicht genommen und findet dort „keinen Beleg, der eine Nutzungsuntersagung rechtfertigen könnte“. Im Gegenteil: Selbst, wenn es in der Nachwendezeit oder auch in jüngerer Vergangenheit zu Nutzungsunterbrechungen gekommen sein sollte, führe dies nicht zum Wegfall des Bestandschutzes für die Wohnzwecknutzung.
„Es ist ein Skandal, dass mit Wissen und Wollen der Stadträtin Monteiro überhaupt eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen wurde“, so Schlüsselburg. Hier werde leichtfertig mit der Existenz junger Menschen gespielt, die hier ihr Eigentum nutzen und zugleich einen Arbeits- und Lebensraum für den Kiez entstehen lassen. „Solche Projekte verdienen gerade in der Zeit von Mietenwahnsinn und Bodenspekulationen die Unterstützung der Politik und nicht ihre Gegnerschaft.“
„Jeanne D’Arc der Gewerbegebiete„. So nennt Schlüsselburg Monteiro. Diese wurde bereits nach dem Streitfall Herzbergstraße gelegentlich so genannt. Laut Schlüsselburg besteht jedoch gar kein Grund dazu: 15,6 Prozent der Gesamtfläche des Bezirks sind Gewerbeflächen. Damit liegt Lichtenberg auf Platz zwei aller Bezirke. Hier nachzulesen. Gleichzeitig hat Lichtenberg den geringsten Umsatz im verarbeitenden Gewerbe (hier zu lesen) und, so Schlüsselburg: „erheblichen Verbesserungsbedarf bei der Einwerbung von Wirtschaftsfördermitteln“.
„Wir haben kein Flächenproblem, sondern ein Problem mit einer konzeptlosen Wirtschaftspolitik“, meint Schlüsselburg. Er fordert Monteiro auf, „diesen Irrweg unverzüglich zu beenden und dem Widerspruch der Eigentümer stattzugeben, bevor das Bezirksamt eine peinliche Niederlage im Hauptsacheverfahren erleiden wird.“
Monteiro bekommt Unterstützung von der FDP Lichtenberg: Erreiche eine Wohnnutzung Bestandsschutz, werde eine Ansiedlung von neuem Gewerbe in dem Mischgebiet erschwert, weil Lärm und Gerüche eines Gewerbes in Konflikt mit einer Wohnnutzung stünden, heißt es in einer Pressemitteilung, in der eine andere Position als beim FDP-Abgeordneten Förster (siehe oben) zum Ausdruck kommt.
Monteiro müsse sich lediglich vorwerfen lassen, mit wenig Fingerspitzengefühl vorgegangen zu sein, findet Christopher Hoth, Sprecher für Bauen und Wohnen der FDP Lichtenberg. Zudem habe sie eventuell die juristische Lage des Einzelfalls falsch eingeschätzt. „Aber dass wir in Berlin Wohnungsnot haben, darf nicht dazu führen, dass alle Gewerbeflächen für eine Umnutzung als Wohnflächen freigegeben werden.“ Genau das verlange Schlüsselburg, wenn er es einen Skandal nennt, dass Monteiro Gewerbegebiete verteidigt.
Für Wohnungsbau gebe es noch viele geeignete Flächen in Lichtenberg, so Hoth. Ein Baulückenkataster würde alle Potenziale aufzeigen (wowas wird ja derzeit geschaffen, siehe Newsletter der letzten Woche). Außerhalb Lichtenbergs biete sich zum Beispiel eine Bebauung am Rand des Tempelhofer Feldes an, meint Hoth.
Im Haus selbst ist man derzeit guter Dinge: „Aus unserer Sicht, und ja auch aus Sicht des Richters, gibt es keine juristische Notwendigkeit, dass wir hier rausmüssen“, findet Ruwen Warnke vom Hausprojekt. „Die Stadträtin Monteiro möchte uns hier raushaben und sie möchte, dass das Gebäude wieder leer steht. Sie könnte auch einfach die Nutzungsuntersagung zurückziehen und sich freuen, dass ein Haus bewohnt wird und nicht leer steht und günstiger Wohnraum geschaffen wird.“ Das Haus ist derzeit voll bewohnt auf fünf Etagen mit 15 bis 20 Personen. Manche, die es nicht können, zahlen keine Miete und arbeiten stattdessen mit am Haus.
Einige Jusus der SPD-Lichtenberg sind wohl für das Hausprojekt und verstehen die Entscheidungen ihrer Stadträtin nicht, berichtet ein Bewohner der Wartenburg. Auf Nachfrage sagte Tamara Lüdke, zusammen mit Sandro Mochan Teil der Juso-Doppelspitze, man habe keine Position zu dem Fall und versuche lediglich zu vermitteln. Zumindest in Sachen Gewerbegebiet Herzbergstraße scheinen die Jusos laut ihrer Website allerdings ganz auf Monteiro-Linie zu sein.
Stadträtin Monteiro ist schon seit längerer Zeit nicht im Dienst. Das hat wohl gesundheitliche Gründe, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Erst Anfang Juni wird sie, laut ihrem Referenten, wieder im Amt sein. Auf Nachfrage war Monteiro nicht zu erreichen. Ihr Referent kann sich auf Nachfrage nur „fachlich“ äußern, nicht politisch.
Er sieht „keinen sachlichen Grund für die von Herrn Schlüsselburg geforderte sofortige Rücknahme der Nutzungsuntersagung.“ Und auch das Hausprojekt sollte Interesse an einem endgültigen Gerichtsentscheid haben, denn nur dieses könne dauerhaft Rechtssicherheit schaffen, so Paulus. „Wenn das Wohnprojekt hier Recht bekommen sollte, können sie dort die aufgenommene Wohnnutzung ausüben, sofern nicht weitere vorgenommene bzw. noch vorzunehmende baulichen Änderungen einer Baugenehmigung bedürfen“, so Paulus. Der Nebensatz hört sich vielleicht etwas nach einer Drohung an, ist aber wohl rein „fachlich“ gemeint?
Robert Klages ist freier Mitarbeiter beim Tagesspiegel. Schreibt ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf Facebook, Twitter und Instagram zu finden.