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von Robert Klages

Veröffentlicht am 04.11.2019

die Werbung des Projektentwicklers Bonava hängt bereits in den U-Bahnen. In der Parkstadt Karlshorst entstehen „Eigentumswohnungen für jede Lebenslage“. Auf der Website heißt es: „Und Sie sind dabei, wenn hier etwas Neues und etwas Großes entsteht.“ „Vier renommierte Architekturbüros“ hätten sich „ins Zeug gelegt“. „Über den Balkon oder die Terrasse freuen sich alle genauso wie darüber, dass beim Einzug das Bad bereits gefliest war und auch das Parkett schon lag.“

Doch gebaut ist wohl noch nichts. Die Bonava hat die Rechnung ohne die Demokratie gemacht. Bekanntlich lehnte die Linksfraktion die Planreife für das Projekt ab – woraufhin die SPD den Saal verließ, den Linken die Zusammenarbeit kündigte und den Regierenden zu Hilfe rief. Die Linke fordert, wie berichtet, 35 Sozialwohnungen mehr – und verhindert damit den sofortigen Bau der 1000 Wohnungen plus einer Schule und einer Kita im Blockdammweg.

Was fällt denen ein, den Linken, rief die SPD, die von dem Abstimmungsergebnis angeblich überrascht wurde. Hatte niemand damit rechnen können, dass demokratisch gewählte Volksvertreter*innen gegen ein Projekt stimmen? Jetzt zu kommentieren, die Linke verhindere den Bau von Wohnungen, ist einfach. Richtig, aber einfach. Denn, so schreibt auch Christine Richter, Chefredakteurin der Morgenpost, in ihrem Kommentar: Es ist kompliziert. Und 35 Sozialwohnungen sind auch kein Pappenstiel.

Die Bonava wusste, dass erst noch abgestimmt werden muss. Wieso also werden bereits Verträge geschlossen, Immobilien verkauft und Werbung für ein Neubauprojekt gemacht, das noch gar nicht politisch legitimiert ist? Industriehallen und der achtgeschossige Verwaltungssitz des einstigen DDR-Maschinenbaus sind bereits für das Neubauprojekt Parkstadt Karlshorst abgerissen worden. Die städtebaulichen Verträge zwischen Bonava und dem Bezirk wurden bereits am 16. Juli 2018 unterzeichnet, im Dezember desselben Jahres verkaufte die Bonava den gesamten Mietwohnanteil an einen Investor – „im Vertrauen auf einen gültigen Vertrag“, schreibt mir die Bonava.

Ein Fehler in der Demokratie, oder einfach ein Fall von Pustekuchen? Wo denkt ihr hin? Denn es gibt immer eine Lücke im Baurecht. In diesem Fall heißt es „Planreife“. Es wurde nämlich nicht über den Bebauungsplan für das Projekt abgestimmt, sondern über die Planreife. Eine Ausnahme im Baurecht bei größeren Investitionsprojekten mit eng kalkulierten Zeitabläufen, erklärt uns Kollege Volkmar Eltzel von Lima+: Paragraph 33 Baugesetzbuch (BauGB) regelt, dass die so genannte Planreife es ermöglicht, bereits mit dem Bau zu beginnen, obwohl der Bebauungsplan noch nicht festgesetzt ist. Dieser wird nächstes Jahr besprochen werden.

Die Schule am Blockdammweg soll dann trotzdem entstehen, erzählt Bürger*innenmeister Michael Grunst (Linke) am Montag. Diese würde im Bebauungsplan beschlossen und man sei da auch noch gut im Zeitplan.

Die Verhandlungen mit der Bonava führt Stadträtin Birgit Monteiro (SPD) – diese wird 2021 nicht mehr als Stadträtin kandidieren und alle Ämter in Lichtenberg niederlegen. Mehr dazu in der Rubrik „Namen und Neues“. Dort lest ihr auch, wie der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg alle baurechtlichen Vorschriften für ein Grundstück am Rummelsburger See außer Kraft setzt.

Robert Klages ist freier Mitarbeiter beim Tagesspiegel. Schreibt ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf FacebookTwitter und Instagram zu finden.