Intro
von Robert Klages
Veröffentlicht am 27.04.2020
die Sportanlagen, Bolzplätze und Fußballtore in der Stadt sind verriegelt, das Betreten steht unter Strafe. Letzte Woche wurden Lockerungen beschlossen: „Das kontaktlose Sporttreiben auf Sportanlagen im Freien“ ist wieder erlaubt. Schnell fragte man sich, wie das aussehen solle, so ein kontaktloses Fußballspiel:
„Ey, du warst näher als Einsfuffig dran!! Elmeta!!!“ Doch da Versammlungen und Gruppentreffen weiterhin verboten bleiben, kommt ein Spiel eh nicht infrage. Immerhin, so dachte ich, könnten mein Sohn und ich vielleicht wieder auf dem Bolzplatz hinter unserem Plattenbau in Friedrichshain kicken. Doch der ist, als Teil eines Kinderspielplatzes, weiterhin verriegelt und steht erst wieder am 30. April zur Verfügung. Denn ab dann sollen alle Spielplätze in ganz Berlin wieder öffnen.
Lichtenberg zieht mit. Aus einer Pressemitteilung des Bezirksamts ist zu entnehmen, dass man die Spielplätze lieber weiter geschlossen gelassen hätte. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht! Sie ist riskant und ambivalent“, sagt Bürger*innenmeister Michael Grunst (Linke). „Abstand halten ist die wirksamste Methode, um die Ausbreitung zu verlangsamen. Der Druck auf die Eltern ist jedoch ebenso hoch.“ Er appelliert an die Vernunft und das Verantwortungsgefühl aller Bürger*innen:
„Diese Öffnung ist kein Freifahrtschein, um die Regelungen der Eindämmungsverordnung oder die Kontaktbeschränkungen zu ignorieren! Wenn es nur irgendwie geht, meiden Sie weiterhin Spielplätze und Personenansammlungen.“ Noch sind die Spielplätze zu: Mein Sohn stand mit dem Ball in der Hand vor dem roten Absperrband, wie vor gut vier Wochen das erste Mal.
Seitdem trainieren wir dort, wo einst Lenin stand. Also nicht der echte Wladimir Iljitsch Lenin, sondern eine riesige Statue von ihm aus ukrainischem Granit. Der Leninplatz heißt heute Platz der Vereinten Nationen, und anstelle von Lenin gibt es dort eine Ansammlung von Findlingen, aus denen schwach Wasser plätschert. Am 19. April 1970, also vor 50 Jahren und ein paar Tagen, wurde die Leninstatue aufgestellt. 1991 fiel Lenin, auf Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain.
Der Körper kam nach Treptow-Köpenick, der Kopf wurde erst 2015 ausgegraben und ist mittlerweile in der Zitadelle in Spandau zu besichtigen (wie ich aus dem Spandau-Newsletter erfuhr). Eine Historie der Statue mit Fotos von damals hat mein Kollege Andreas Conrad geschrieben, sehr lesenswert. Und vielleicht kicken wir auch weiterhin dort, wenn die Spiel- und Sportplätze wieder geöffnet haben.
Ohnehin sollten wir nicht gleich drauf stürmen: Das Ordnungsamt ist berechtigt, einzelne Spielplätze wegen Überfüllung zu schließen und deren Nutzung zu untersagen. Personenansammlungen, auch der erwachsenen Begleitpersonen oder von Jugendlichen, sind weiterhin untersagt.
Warum wir ausgerechnet am ehemaligen Leninplatz kicken? Nun: Klar, Wiesen gibt es viele, der Volkspark Friedrichshain ist auch nicht weit. Aber nachdem ich dort die ersten Tage nach Schließung der Bolzplätze mit dem Kind gespielt hatte, wurde klar: wenn das länger so gehen soll, brauchen wir ein Tor. Doch alle Tore sind abgeriegelt. Also brauchen wir zumindest eine Wand. Denn einfach ein Tor abzustecken und dann permanent den Ball holen gehen, nachdem das Kind ihn reingedroschen hatte, kam nicht mehr infrage.
Fußballspielen ohne Tor ist nicht möglich. Wer denkt, auf der Wiese kicken, den Ball so hin und her treten, das geht schon, hat das Spiel nicht verstanden. Klar, zur Sicherheit und zu Pandemiezeiten ist das alles kein großes Problem. Auch Bezirksstadtrat Martin Schaefer (CDU) empfiehlt ein Ausweichen auf die Grünflächen. 5,5 Millionen Quadratmeter davon hat der Bezirk immerhin. „Das sind fast 500 Fußballfelder“, so Schäfer. Ja. Aber ohne Tore! Nun gut, eine Wand musste her, gegen die geschossen werden konnte.
Nun war es nicht so leicht, eine geeignete Wand in der Nähe zu finden. Man kann ja nicht einfach vor Hauswände bolzen, und Rasen wollten wir auch, aber keine Hundekackwiese, und groß genug sollte die Wiese sein, und nicht zu belebt, damit der Coronaabstand zu anderen Leuten eingehalten werden kann. So fiel die Wahl auf den Platz der Vereinten Nationen. Als Tor beziehungsweise Abprallwand dient ein Findling aus den USA.
Optimal ist das natürlich nicht: Auf der Wiese liegen Überreste von Silvesterraketen und der Ball fliegt öfter mal ins Wasser der Brunnenanlage, die vor ein paar Tagen angestellt wurde. Wir haben den Rasen vor dem Stein schon erkennbar platt und erdig gespielt. Wir hoffen, dass das Virus bald weg ist und die Bolzplätze wieder öffnen können. Am besten auch wieder der Jugendvereinsfußball. Denn dieser geht leider gerade kaputt.
Wer den Überblick über die Regeln verloren hat, kann das hier nachlesen. Und einen Chatbot hat der Tagesspiegel jetzt auch, der beantwortet Fragen zu Corona. Alles Weitere natürlich bei uns im Tagesspiegel Berlin-Blog zur Corona-Kriese. Ihr müsst nämlich nun Atemschutzmasken tragen, wenn ihr mit Bus und Bahn fahren wollt. Es zählen auch Schals und Tücher. Aber bitte keine Kaffeefilter. Davor hat bekanntlich bereits Melitta gewarnt. Kommt aber trotzdem vor.
Das Bezirksamt verteilt Atemschutzmasken. Kostenlos natürlich, zwei pro Person werden rausgegeben, vorrangig für Leute, „für die der Kauf einer eigenen Maske eine besondere Härte bedeutet und die auf den Öffentlichen Personennahverkehr angewiesen sind“. Ausgabestelle ist das Bürgeramt 2 in der Normannenstraße 1-2, gegenüber vom Rathaus Lichtenberg, von Dienstag, 28. April, bis einschließlich Donnerstag, 30. April, jeweils von 12 bis 18 Uhr. Solange der Vorrat reicht.
Wir machen hier weiter mit mehr Historischem und der Roten Armee, die vor 75 Jahren in Berlin einmarschierte und Deutschland vom Nationalsozialismus befreite. Die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht wurde am 8. Mai in Karlshorst unterzeichnet, dort, wo heute das Museum Karlshorst ist. Dieses wollte anlässlich des Jubiläums die Ausstellung „Von Casablanca bis Karlshorst“ eröffnen mit internationalen Botschafter*innen und großem Fest.
Aber wegen der Corona-Pandemie muss das Museum geschlossen bleiben. Berlins Regierender, Michael Müller (SPD), kommt trotzdem nach Karlshorst. Und die Ausstellung wird Online eröffnet. Exklusive Fotos und mehr zum Thema gibt es in den Rubriken „Namen und Neues“ und „Kiezkamera“ weiter unten im Newsletter. Zunächst möchte ich euch in der Rubrik „Nachbarschaft“ die neue Beauftragte für Menschen mit Behinderungen vorstellen.
Robert Klages ist freier Journalist beim Tagesspiegel. Schreibt ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf Facebook, Twitter und Instagram zu finden.