Intro
von Robert Klages
Veröffentlicht am 14.09.2020
„Früher waren die Leute froh, hier hinziehen zu können und nun sind sie gegen ein neues Wohnhaus“, sagt Anika Schatte aus der Salzmannstraße. Dort, in der Hausnummer 35, möchte die Howoge ein Wohnhaus mit 18 Geschossen und einer Kita errichten. Einigen Anwohnenden, Bezirksbürger*innenmeister Michael Grunst (Linke), den Linken (stärkste Fraktion in Lichtenberg) und Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) ist das zu hoch, da sind sich ausnahmsweise mal viele einig. Dass man sich der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft in den Weg stellt, ist neu. Diese baut immerhin am meisten Wohnungen im Bezirk und ist ein guter Partner, wie auch Hönicke betonte. Er kündigte trotzdem an, nun andere Dinge an dem Projekt finden zu wollen, die nicht genehmigungsfähig sind.
Der Bezirk hatte den Bau des Hauses abgelehnt. Aber die Howoge hatte dagegen geklagt, das Verfahren ging an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen – und die dortige Bauaufsicht stimmte zu. Nun muss der Bezirk die Baugenehmigung erteilen. Der Streit geht um § 34 Baugesetzbuch, nach dem hier gebaut wird. Ein Neubau muss sich in die Nachbarschaft einfügen. Das Bezirksamt findet das Haus zu hoch, die Senatsverwaltung sieht 100 Meter weiter entfernt ebenfalls Hochhäuser mit 18 Geschossen stehen. Hier mein Text zu dem Vorgang mit noch mehr Meinungen.
Den Anwohnenden geht es um die „Verkehrssituation“, was bedeutet: Sie machen sich Sorgen um ihre Parkplätze. Denn die Howoge will keine neuen Stellplätze bauen. Es sei eine Bahnhaltestelle 500 Meter entfernt und es soll mehr Fahrradständer geben. Alle Hochhauskritiker*innen betonen stets, sie würden den Wohnungsbau nicht verhindern wollen, nur sei ihnen dieses Punkthochhaus eben zu hoch, es gehe nicht nur um Parkplätze. Aber vorrangig schon, das hört man raus.
Stadtrat Hönicke sagte zudem, wenn Wohnungen gebaut werden, hätte dies „Folgen für Kitas und Schulen“. Obwohl die Howoge eine Kita mitbauen will. Und Aufgabe des Bezirks ist es doch, Infrastruktur zu schaffen? Der Investor, die Howoge, sollte dabei helfen. Laut Hönicke gehe die Wohnungsbaugesellschaft der Schaffung von Plätzen durch den § 34 aus dem Weg – zudem müssten keine Gutachten für Verkehr vorgelegt werden. Die Howoge zeigte sich gesprächsbereit, es habe sich allerdings noch niemand aus dem Bezirksamt bei ihnen gemeldet.
Und die Lichtenberger Grünen? Hönicke schreibt in seinem Brief an Scheel, die Grünen seien ebenfalls gegen das Hochhaus. Auf Nachfrage kommt ein klares Jein: Einerseits wollen die Bezirksverordneten (Anzahl: zwei) die SPD und Linken bei der Resolution gegen das Hochhaus unterstützen, „weil sie die, aus unserer Sicht wichtige, Beteiligung der Anwohnenden anregt“, wie mir Philipp Ahrens sagte, Vorsitzender der Grünen in Lichtenberg. Allerdings halte man die angestrebte Bauhöhe für genehmigungsfähig und nicht grundsätzlich problematisch. „Hohes Bauen kann Flächenversiegelung minimieren und Platz für Stadtgrün lassen“, so Ahrens. Die Howoge solle sich mit den Anwohnenden zusammensetzen und deren Bedenken diskutieren – und dann ein schlüssiges Verkehrskonzept vorlegen. „Die Howoge muss klären, wie sie die verkehrliche Situation sicherstellen will.“
Und die Lichtenberger CDU? Auf Nachfrage erhielt ich ebenfalls ein klares Jein des Fraktionsvorsitzenden Gregor Hoffmann. Ein Vernetzungstreffen gegen den Wohnungsbau sei das Letzte, was der Bezirk braucht, findet Hoffmann. Die Linke würde populistisch agieren. ABER: der Bau eines Achtzehngeschossers ohne ausreichende Anzahl an Stellflächen sei nicht realistisch. „Die Senatseinmischung ohne Betrachtung der örtlichen Verkehrslage und Sozialinfrastruktur ist kritisch zu sehen.“ Die Howoge solle zügig ein Verkehrskonzept entwickeln und Gespräche mit den Anwohnenden suchen. „Wir sind sicher, dass sie sinnvolle Lösung finden kann, wenn die Landesparteien von Grunst und Hönicke sich raushalten.“
Es sei klar, dass die neuen Mieter*innen auch Platz für ihre Autos brauchen, so Hoffmann. Lediglich auf die Bahnstation zu verweisen, reiche nicht aus. Die Resolution gegen das Hochhaus wird die CDU wohl nicht unterstützen: Für Hoffmann ist diese ein „Armutszeugnis“ für den Bezirk, denn dieser brauche Wohnungen und Kitas.
Weiterdiskutiert wird auch am heutigen Montag um 18.30 Uhr. Bausenator Scheel, Bezirksbürger*innenmeister Grunst, Howoge-Geschäftsführer Ulrich Schiller und weitere treffen sich zur Podiumsdiskussion am „Supermarkt an der Jannowitzbrücke“, Holzmarktstraße 66. Anlass ist die Eröffnung einer Ausstellung zum 30. Jubiläum der Howoge. Die Ausstellung ist für die Öffentlichkeit ab dem 15. September bis zum 27. September zu unterschiedlichen Zeiten geöffnet. Eintritt frei. Mehr Infos dazu hier.
Robert Klages ist freier Journalist beim Tagesspiegel. Schreiben Sie ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf Facebook, Twitter und Instagram zu finden. Satirische Kurzgeschichten von ihm können Sie auf robert-klages.de lesen.