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von Robert Klages

Veröffentlicht am 13.09.2021

rund 1,2 Millionen Autos sind in Berlin angemeldet, mit zehntausenden, weiteren Fahrzeugen pendeln Brandenburger*innen täglich in die Stadt – Tendenz steigend. Bei den Parteien bestehe mittlerweile weitestgehend Konsens, dass sich die Zahl der Autos in Berlin in den kommenden Jahrzehnten reduzieren muss, schreibt mein Kollege Christian Latz in seinem Artikel „Wie kann die Verkehrswende in Berlin gelingen?“. Klar ist: Der Verkehr in der Hauptstadt der Zukunft soll anders funktionieren – nur wie?

„Insgesamt möchten alle Parteien die sichere Radinfrastruktur in der Stadt ausbauen“, schreibt der Kollege weiter. „Nur wie und wo – darüber gibt es erhebliche Differenzen.“ Das von der rot-rot-grünen Koalition beschlossene Mobilitätsgesetz sehe den Bau von breiten Radwegen an allen Hauptstraßen bis 2030 vor. CDU und vor allem FDP wollen hingegen das Radnetz lieber in den Nebenstraßen ausbauen und Radfahrende damit weitestgehend vom Autoverkehr trennen.

„Von einer echten Mobilitätswende merke ich fast nichts“, sagt Axel S., der jeden Morgen von Rahnsdorf nach Reinickendorf zur Arbeit fährt – mit S-Bahn und Fahrrad. Er wünscht sich eine verkehrsberuhigtere Stadt. Mein Kollege Stefan Jacobs hat für T-Plus, unser Premium-Digital-Angebot, mit ihm gesprochen.

Berlin will Fahrradhauptstadt werden. Der rot-rot-grüne Senat will den Anteil der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege in der Stadt weiter erhöhen und hat dafür in seiner Sitzung am Dienstag die planerischen Grundlagen gelegt. Demnach sollen bis zum Jahr 2030 rund 3000 Kilometer zusätzliche Fahrradwege entstehen. Mehr dazu erfahrt in diesem T-Plus-Artikel von Kollege Robert Kiesel.

Das Netzwerk Fahrradfreundlichen Lichtenberg hat einen Forderungskatalog zusammengestellt. Dazu haben sie die Parteien um Antworten gebeten. Wenn sie keine erhielten, suchten sie im Wahlprogramm nach Antworten. Das Ergebnis kann hier begutachtet werden. Damit die Zielmarke von 309 Radweg-Kilometern im Jahre 2030 erreicht werden kann, müssten bis 2026 mindestens 150 davon realisiert sein, erklärt zum Beispiel die Linke. Der Neubau von Radwegen hänge auch mit den finanziellen Zuweisungen durch das Land Berlin ab.

Die SPD möchte Pop-Up-Radwege, die dann später in dauerhafte Radwege umgebaut werden sollen. Die CDU schreibt, „so viele Kilometer Radweg wie möglich zu schaffen“, aber: „Ein Einzelfall muss auf die rechtliche und praktische Umsetzbarkeit geprüft werden“. Die Grünen sagen: „Wir setzen das Mobilitätsgesetz endlich auch in Lichtenberg um. Wir sind verpflichtet zum Handeln.“ Die FDP fordert die Instandsetzung bestehender Radwege „ggf. auch zu Lasten des Neubaus“.

Na dann: 2022 kann geradelt werden? Macht euch selbst ein Bild von den Aussagen der Parteien, zusammengestellt vom Netzwerk Fahrradfreundlichen Lichtenberg.

„Lichtenberg verschläft die Verkehrswende!“, sagt auch Hans-Joachim Legeler, Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Lichtenberg. Das Bezirksamt hat es Anwohner*innen sehr schwer gemacht, drei temporäre Spielstraßen zum berlinweiten Spielstraßen-Aktionstag anzumelden. Kann Lichtenberg nun nicht mehr am Aktionstag teilnehmen, müssen Anwohnende die Spielstraßen selbst aufmalen? Mehr dazu in der Rubrik „Tipp der Woche“, der ADFC ruft zum Widerstand gegen das Bezirksamt auf.

Die Schuld liegt schnell bei Verkehrsstadtrat Marin Schaefer von der CDU. Klar, er ist nun nicht gerade ein Vorreiter in Sachen Verkehrswende. Unterstützung bekommt er von seiner Fraktion, die das Bezirksamt in einer Mitteilung für die „hohen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur“ lobt.

Fast sechs Millionen Euro hat der Bezirk im laufenden Jahr ausgegeben, um Straßen, Gehwege und die Radverkehrsinfrastruktur instand zu setzen. Darunter 1,9 Millionen für Radverkehrsanlagen (ca. 1,1 Mio. Euro für Fußverkehrsanlagen und ca. 2,9 Mio. Euro für Fahrbahnen). Auf Dauer sei hier mehr politische Priorität erforderlich, „was mit einer starken CDU-Fraktion möglich würde“, sagt Gregor Hoffmann, Fraktionsvorsitzender der Lichtenberger CDU.

Die CDU habe sich immer wieder mit verschiedenen Anträgen für die Anhebung der Mittel für die Straßenunterhaltung, eine Sanierung der Verkehrswege und die Fahrradinfrastruktur eingesetzt. Da fragt man sich ja schon: Wenn alle Parteien die Verkehrswende voranbringen wollen, warum geschieht so wenig? Und geht das nach den Wahlen so weiter?

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