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von Robert Klages

Veröffentlicht am 04.04.2022

da ist er wieder, der Autowahn: Das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium plant im Alleingang die A100 durch Friedrichshain weiter. Dafür wurde am vergangenen Dienstag die Planung des 17. Bauabschnitts zwischen Treptower Park und Storkower Straße ausgeschrieben. 

Die Berliner Landesregierung wusste nichts davon und wurde auch nicht gefragt. Das stieß auf scharfe Kritik: Grüne und Linke wie auch Teile der SPD sprechen sich gegen das Megaprojekt aus und Rot-Grün-Rot hatten sich im neuen Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Verlängerung der A100 nicht vorantreiben zu wollen. Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) reagierte verärgert: „Was der Bund hier plant, wirkt wie aus der Zeit gefallen“, sagte sie dem Tagesspiegel im Interview (T+). Stattdessen müsse die Stadt dringend klimaneutral werden und mehr Menschen vom ÖPNV überzeugt werden. Jarasch will den geplanten Weiterbau der Stadtautobahn aufhalten.

Die A100 ist nicht nur unnötig und klimapolitisch absoluter Irrsinn, sondern würde auch einige schöne Orte in an der Grenze zu Lichtenberg zerstören, zum Beispiel die „Villa Kuriosum“. Wenn die Autostrecke wirklich gebaut werden sollte, führt der nächste Bauabschnitt dann direkt rein und durch Lichtenberg. Wie bereits berichtet, steht ein Hausprojekt im „Bermuda Dreieck“ genau vor einer geplanten Tunnelausfahrt.

Die SPD Lichtenberg setzt sich für eine Bürger:innenbeteiligung ein. „In diesem Rahmen werden wir bei den Bürger*innen für einen Stopp des Weiterbaus werben“, schrieb der Fraktionsvorsitzende Kevin Einenkel. Auch Tamara Lüdke, Abgeordnete für den Kreisverband Lichtenberg, findet: „Der geplante Ausbau ist der Inbegriff einer überholten Verkehrspolitik, denn er zerstört Flächen für gewerbliche oder soziale Nutzungen und schadet Klima, Umwelt und Gesundheit! Der Ausbau ist nicht zukunftsfähig und sollte erst recht nicht ohne Beteiligung der Bürger*innen vor Ort durchgeführt werden!“

Die CDU-Fraktion Lichtenberg freut sich: „Mit dieser wichtigen Investition in Millionenhöhe wird die A 100 in den Ostteil der Stadt verlängert und große Bereiche werden vom Durchgangsverkehr entlastet“, meint Gregor Hoffmann, Fraktionsvorsitzender.

Allerdings würde die Autobahn nicht für weniger Verkehr sondern für mehr Verkehr in der Innenstadt sorgen, „besonders in Friedrichshain, Lichtenberg und Pankow“. Darauf weist Julian Schwarze (Grüne, Abgeordnetenhaus) hin. Die Folge wären „mehr LKW, mehr Lärm, mehr giftige Abgase. Das wäre das Letzte, was die angrenzenden Kieze dort gebrauchen können. Was wir brauchen ist Rückbau statt Neubau.“ Der Bundestag müsse den Verkehrswegeplan umgehend ändern und so „die Pläne aus dem letzten Jahrhundert“ endlich beenden. Auch die Grünen im Bund hätten sich klar gegen die A100 positioniert. „Behauptungen, es hätte eine Zustimmung gegeben, sind erfunden und falsch. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans ist nicht abgeschlossen“, erklärt Schwarze.

„Angrenzende Viertel würden in Lärm, Abgasen und Stau ersticken“, sagt die Fraktion der Grünen. „Die Flächen, die der Weiterbau beansprucht, werden für neue Wohnungen, Grünflächen und soziale Infrastruktur gebraucht. Sie sind viel zu wertvoll, als dass wir es uns leisten könnten, sie für eine Autobahnschneise zu opfern. Die vorgesehene Tunnellösung zwischen Ostkreuz und Wiesenweg ist kostenintensiv und gefährdet die Standsicherheit angrenzender Wohnhäuser.“ Die Baumaßnahmen am gesamten 17. Abschnitt würden voraussichtlich rund 10 bis 20 Jahre dauern und die Lebensqualität der Anwohner:innen beeinträchtigen. Wenn die Autobahn dann in den 2040er Jahren fertig wäre, wolle Berlin bereits klimaneutral sein.

Aber bei der CDU läuft da ohnehin irgendwas falsch. Die Berliner Partei nennt die Verlängerung der A100 „Klimaautobahn“ – und bekam dafür den „Kreativpreis“ von Tagesspiegel-Checkpoint.

Die Grünen setzen sich in einem BVV-Antrag gegen den Weiterbau ein. Das Bezirksamt möge dem Bundesverkehrsministerium und der Bundesregierung die ablehnende Haltung des Bezirks Lichtenberg gegenüber dem Bau des 17. Abschnitts der A100 mitteilen. Das Bezirksamt soll sich außerdem auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass die staatlichen Ressourcen im Sinne einer Mobilitätswende für den Auf- und Ausbau nachhaltiger, klimaschonender und sozial gerechter Mobilität genutzt werden. Dafür sollen alle zur Verfügung stehenden Mittel genutzt werden, um den verkehrs- und klimapolitisch falschen Weiterbau der A 100 zu verhindern.

Bezirksbürger:innenmeister Michael Grunst (Linke) antwortete auf Nachfrage, es gebe seit Jahren eine klare Beschlusslage im Bezirk gegen den Weiterbau der A100. „Daran hat sich nichts geändert.“ Tatsächlich hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg im Jahre 2012 beschlossen: „Der Bezirk Lichtenberg lehnt erneut die Verlängerung der A 100 ab. Das Bezirksamt wird ersucht, sich gegenüber dem Senat entsprechend zu positionieren und sich gemeinsam mit Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen in geeigneter Weise für eine alternative Verkehrspolitik einzusetzen.“

„Seit Jahrzehnten lehnt die Linke auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene den Weiterbau der A100 ab“, sagt dementsprechend auch Antonio Leonhardt, verkehrspolitischer Sprecher der Linken-Fraktion. „Mit dem Weiterbau wird eine Verkehrspolitik von vorgestern zementiert und Millionen fehlinvestiert. Die Linke werde eine Resolution gegen die Autostrecke einbringen.

Auch die Bezirkspolitik in Friedrichshain-Kreuzberg setzt sich gegen den Ausbau der A100 bereits zur Wehr. Wie meine Newsletter-Kollegin Corinna von Bodisco meldet, gibt es einen gemeinsamen Antrag gegen die A100, eingebracht von Grünen, Linken und SPD. Die Berliner Linke will sogar vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Nachzulesen im Nachbar-Newsletter für Friedrichshain-Kreuzberg. Aber: Nach einer klimafreundlichen Verkehrswende sieht es also derzeit leider nicht aus.

  • Wie steht es denn um den Ausbau der Radwege? Linke und Grüne fordern, dass Verkehrsstadtrat Martin Schaefer (CDU) endlich handelt. Mehr dazu lest ihr in der Rubrik „Namen und Neues“.
  • So reagiert die Lokalpolitik in Pankow auf den Ausbau der A100. Mein Kollege Christian Hönicke (nicht verwandt mit dem Lichtenberger Baustadtrat) hat das in seinem Newsletter zusammengefasst.
  • Die gut 4 Kilometer lange Strecke wird übrigens ca. 1 Mrd. Euro kosten – das macht pro cm rund 2500 Euro (Q: Grundkurs „Mathe mit dem Checkpoint“). Welche drei Möglichkeiten das Land Berlin noch hat, die Bundesautobahn zu stoppen (außer, dass sich die Verkehrssenatorin mit Sekundenkleber auf die Baustelle heftet), haben Sabine Beikler und Christian Latz hier recherchiert.
  • Robert Klages ist freier Journalist beim Tagesspiegel. Schreiben Sie ihm bei Anregungen, Kritik, Wünschen, Tipps bitte eine E-Mail an leute-r.klages@tagesspiegel.de. Ansonsten ist er auch auf FacebookTwitter und Instagram zu finden.