Intro

von Robert Klages

Veröffentlicht am 31.10.2022

hat Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) die Tür geknallt oder nicht? Er sagt jedenfalls, er habe mal auf die Toilette gemusst und die Tür nicht geschmissen. Das sind eindeutige Perlen der Lokalpolitik: Hönicke und der Linken-Fraktionsvorsitzende Norman Wolf diskutierten während einer Ausschusssitzung auf Twitter.

Die Diskussion zeigt: Die Nerven liegen blank, wenn es um das Thema Nachverdichtung im Ilsekiez geht. Dort sollen fast 200 neue Wohnungen errichtet werden – den Anwohnenden gefällt das gar nicht, da sie um „ihre grünen Innenhöfe“ bangen. Ein von Hönicke aufgestellter Bebauungsplan (B-Plan) soll die Bebauung verhindern – doch die Senatsverwaltungen lehnten ab.

Hönicke hatte in einem wohl einzigartigen Täuschungsmanöver die Schuld auf einen Radweg und die Grüne Umweltverkehrsverwaltung schieben wollen. Dabei wurde sein B-Plan von seinem Parteigenossen und Bausenator Andreas Geisel nicht angenommen – was Hönicke unter den Tisch kehren wollte. Er wollte die SPD aus der Schusslinie nehmen, da es wohl nicht so förderlich für den Wahlkampf ist, wenn Senator Geisel aus dem Wahlkreis Karlshorst die Bebauung von grünen Innenhöfen im Karlshorster Ilsekiez befördert.

Nun arbeiten alle Beteiligten immerhin intensiv an einer Lösung. Anstatt die Innenhöfe zu bebauen, könnten die Vorgärten im Ilsekiez bebaut werden. Der B-Plan des Bezirks muss es irgendwie schaffen, Platz für nahezu 200 Wohnungen zu bekommen – erst dann gibt Bausenator Geisel grünes Licht. Der Bezirk will eine Bebauung der Innenhöfe den Anwohnenden (Wähler:innen) zuliebe verhindern. Auch ein Aufstocken der vorhandenen Bebauung stand früher mal im Raum, wurde aber von der Howoge, die dort bauen möchte, abgelehnt. Dies sei zu kompliziert umzusetzen. Die Tendenz, die grünen Innenhöfe zu erhalten: derzeit eher schwierig. Immerhin mit der Senatsverwaltung für Verkehr und Klima konnte der Bezirk eine Einigung erzielen:

Die Ilsestraße soll zu einer Fahrradstraße werden. Dann müssten keine Radwege mehr entstehen und die Straße vergrößert werden – so kann Platz für die Bebauung der Vorgärten und sonstigen Flächen geschaffen werden. Damit konnten die Bedenken der Senatsverwaltung für Verkehr aus der Welt geschafft werden. Allerdings war das nur das kleinste Problem: Denn immer noch fehlt Platz für zahlreiche Wohnungen, damit Bausenator Geisel den B-Plan durchwinkt. Wo bauen, wenn nicht in den Innenhöfen? Stadtrat Hönicke gibt an, weiter kämpfen und diskutieren zu wollen.

Aber die Zeit drängt: Wenn der B-Plan des Bezirks keine Lösungen findet, kann die Howoge ab dem 8. Dezember im Ilsekiez bauen. Nun muss man sich das nicht so vorstellen, dass die kommunale Wohnungsbaugesellschaft an diesem Tag sofort mit Baggern anrückt. Natürlich wird der Bezirk auch mit der Howoge reden um Lösungen zu finden. Zum Schluss noch ein nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag:

Vielleicht könnten die Wohnungen im Ilsekiez verkleinert werden? Ich spreche von Nachverdichtung im Inneren der Bestandsbauten. Wenn aus jeder Wohnung im Ilsekiez zwei Wohnungen würden, könnten so neue Wohnungen geschaffen werden und die Innenhöfe grün bleiben. Vielleicht müssten die Wohnungen dazu auch gar nicht verändert werden: Warum nimmt nicht jeder Haushalt einen anderen, wohnungsuchenden Haushalt auf? So oder so wird es enger werden.

Aber Moment! Ist nicht die Lösung im Grunde ganz einfach: Man sollte mal ein Auge auf die Parkplätze in der Umgebung werfen. Wenn die alle „geopfert“ würden zugunsten von Wohnbebauung, könnten dort weit mehr als 200 Wohnungen entstehen, die Innenhöfe und Vorgärten erhalten bleiben und sogar noch weitere grüne Flächen wachsen. Zudem würden die Anwohnenden dort besser leben.

Utopisch? Nein. Aber wohl leider politisch nicht gewollt. Und Freund:innen unter den Anwohnenden mit Autos macht man sich mit solchen Vorschlägen ja auch nicht  unbedingt. Aber vielleicht denkt man da ja mal drüber nach, denn es könnte so einfach sein. Natürlich auch als Gesamtkonzept für Berlin vorstellbar.

Der Ilsekiez könnte zur Vorzeigesiedlung werden. Anstatt einfach so neue Wohnungen hinzuklatschen, sollte man mal über das Gesamtkunstwerk nachdenken. Der Platz, den die Parkplätze bringen, kann für die Infrastruktur verwendet werden und der Kiez gut an das Radwegenetz und den ÖPNV angebunden werden.

Denn niemand ist auf einen privaten PKW angewiesen. Wer das behauptet, gibt zu, abhängig zu sein von Führerschein, Benzin und Karosserie, was alles viel Geld kostet. Was, wenn der Sprit noch teurer wird oder gar nicht mehr geliefert werden kann? Daher könnte es doch vielleicht Leihwagenstationen (unterirdisch) im Ilsekiez geben, gefördert von der Stadt, der Europäischen Union und der Howoge. Die Wohnungsbaugesellschaft verzichtet übrigens beim Neubau von Wohnungen grundsätzlich vollständig darauf, neue Parkplätze zu errichten.

Wenn also die mehr als 200 neuen Mieter:innen da sind, dürfte der Parkraumdruck ins Unermessliche steigen, wenn alle ein Auto mitbringen. Warum nicht mal komplett anders denken und gestalten? Natürlich müssen Einsatzkräfte, die Müllabfuhr, (Klein-)Busse und Lieferanten weiterhin an die Häuser kommen. Und wer einen Berufswagen fährt oder so: Einige wenige Stellplätze sind vorhanden (bezahlbar und kann von der Steuer abgesetzt werden).

Die E-Leihautos in der unterirdischen Leihstation sind den Mieter:innen des Ilsekiezes vorbehalten. Ebenso wie die zahlreichen E-Lastenräder und Fahrräder. Auch für private Fahrräder finden sich sichere Abstellmöglichkeiten. Wer also einkaufen fahren muss: kein Problem. Vielleicht baut man in eines der Häuser im Erdgeschoss aber auch gleich einen Supermarkt, dann kann das zu Fuß erledigt werden. In diesem Szenario hält die neu eingerichtete Straßenbahnlinie direkt in der Nähe.

Die übrig gebliebenen Freiflächen auf den ehemaligen Parkplätzen könnten für Nachbarschaftsflächen, Kindergärten, Spiel- und Bolzplätze oder ähnliches genutzt werden. Jemand wird sagen, das sei dann aber alles in der Umsetzung zu teuer und das ist dann das Totschlagargument. Aber zum einen gibt es da sicherlich Fördergelder (Verkehrswende wurde beschlossen) und bei guter Planung ist es vielleicht langfristig und nachhaltig gar nicht so teuer, wie man denkt. Zudem zahlt es uns der Planet vielleicht zurück, wenn wir ihn nicht vernichten und die ökologische Stadtentwicklung endlich einmal anpacken. Nur so, als Vorschlag. Ich weiß, es wird nichts.