Kultur
Axel Haubrok schreibt Brief an Grunst, kündigt Mitgliedschaft im Kulturbeirat und will die Fahrbereitschaft umsiedeln
Veröffentlicht am 02.07.2018 von Robert Klages
Der Straßenkampf in der Herzbergstraße geht in die nächste Runde. Nun hat Axel Haubrok, Betreiber der Fahrbereitschaft, einen Brief an Bezirksbürger*innenmeister Michael Grunst (Linke) geschrieben. Hintergrund ist, dass Kunstausstellungen in der Straße verboten sind, da es sich um ein Gewerbeschutzgebiet handelt. Kunstsammler Haubrok würde hier jedoch gerne eine Kunsthalle errichten in der ehemaligen Fahrbereitschaft der SED, die er vor einigen Jahren gekauft hat. Dort „beherzbergt“ er nun zahlreiche Künstler*innen und Gewerbetreibende. Das bedeutet für sie, hier zwar Kunst machen zu dürfen, aber nicht ausstellen zu können.
Das Bezirksamt hatte der Fahrbereitschaft mit einer Strafe von bis zu einer halben Millionen Euro gedroht, wenn trotz Ausstellungsverbot weiterhin Vernissagen oder ähnliches veranstaltet würden. Initiatorin des Schreibens war Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD), die Haubrok als seine „Feindin“ bezeichnet. Ansonsten habe er bisher jahrelang Zuspruch für sein Kunsthallenprojekt erhalten, von zahlreichen Politiker*innen, nicht zuletzt vom Regierenden Michael Müller (SPD), Kultursenator Klaus Lederer (Linke), Innensenator Andreas Geisel (SPD) und, und, und … Doch nun hat Haubrok die Schnauze voll. Er ist es Leid, immer wieder gesagt zu bekommen, man würde sich für seine Kunsthalle einsetzen – und dann passiert nichts. Zudem erhält er „Drohschreiben“ vom Bezirksamt Lichtenberg.
Haubrok will seine Mitgliedschaft im Kulturbeirat Lichtenberg kündigen. Und nicht nur das. Er führt derzeit Gespräche bezüglich anderer Orte für die Fahrbereitschaft, sowohl in Berlin, als auch außerhalb. Für das kommende Jahr plant er keine Ausstellungen mehr in der Fahrbereitschaft. Ausstellungen für dieses Jahr hat er bereits abgesagt. Der letzte offizielle Tag ist der 7. Juli. „Eine Finissage werden wir nicht machen. Wer weiß, mit welchen Strafen eine solche Veranstaltung von der Stadtplanung belegt würde“, so Haubrok.
Folgende Ausstellungen wurden abgesagt:
– eine Präsentation von Studenten der Kunsthochschule Weißensee
– eine Ausstellung von zwei Fotografinnen mit Bildern aus Syrien und dem Irak
– eine Ausstellung zum Thema „New York“ mit dem dazugehörigen Filmfestival, die gleichzeitig essentieller Teil der Berlin Art Week gewesen wäre
– die Beteiligung an einem Projekt des Street Art Festivals, das mit Unterstützung des Kultursenats durchgeführt wird
Grund für Haubroks Brief ist ein Positionspapier des Bezirksamts. In einem Zwischenbericht einer „Abgestimmten Position zum Gewerbegebiet Herzbergstraße“ heißt es unter anderem: „Es sollen in dieser gesamtstädtischen Planung zum ersten Mal auch die Flächenbedarfe von Kulturbetrieben berücksichtigt und die Definition des ‚Entwicklungsgebiets produktionsgeprägter Bereich‘ überarbeitet werden.“ Haubrok sieht hier jedoch nur „vage Absichtserklärungen“. Auch zwei Monate nach der Veröffentlichung dieses Positionspapiers bestehe das Ausstellungsverbot weiter und es habe sich nichts geändert.
Wie „abgestimmt“ ist das Positionspapier? Generell soll das Bezirksamt „mit einer Stimme sprechen“. So ist das Positionspapier auch ausgerichtet: Bezirksbürger*innenmeister und Kulturstadtrat Michael Grunst sowie Bau- und Wirtschaftsstadträtin Monteiro haben eine angeblich einheitliche Meinung erstellt und unterschrieben. In dem Papier heißt es, das Gewerbegebiet soll weiterhin geschützt werden, weitere Wohnhäuser und Einzelhandel in der Straße nicht zugelassen werden – und die Straße für Kulturschaffende etwas geöffnet werden. Hier wird das Papier kaum konkret. Es findet sich kein Wort dazu, ob Ausstellungen in Zukunft erlaubt sein werden oder nicht.
Für das Positionspapier war zunächst Monteiro „federführend“ – eine Zustimmung von Grunst aber zwingend erforderlich. Grunst hat mehrfach öffentlich geäußert, sich für die Kunsthalle einsetzen zu wollen. Er möchte eine Art Mischnutzung in der Herzbergstraße durchsetzen und damit das reine Gewerbegebiet auflösen. Noch bevor das angeblich abgestimmte Positionspapier erschien, griff er Monteiro öffentlich an. „Birgit Monteiro torpediert unsere Bemühungen, den Standort an der Herzbergstraße langfristig für Künstlerinnen und Künstler zu sichern“, sagte er beispielweise dem „Neuen Deutschland“. Als Wirtschaftsstadträtin setzt sich Monteiro für den Gewerbestandort Herzbergstraße ein. Kreativwirtschaft dürfe hier produzieren, aber nicht ausstellen, sagte sie uns im Tagesspiegel.
In einer Sitzung am 29. Mai soll dann Grunst die Federführung für das Positionspapier „an sich gerissen haben“, wurde mir anonym berichtet. Zugegen sollen die Stadträt*innen Monteiro, Katrin Framke (parteilos, für Linke), Frank Elischewski (AfD) und Grunst selbst gewesen sein. Wilfried Nünthel (CDU) fehlte kranheitsbedingt. Grunst soll beantragt haben, dass er in dieser Angelegenheit federführend ist. Die anwesenden Stadträte sollen mehrheitlich dafür gestimmt haben. Grunst habe eine neue Version des Positionspapiers eingebracht, diese wurde verabschiedet. Hat er damit Monteiro den Aufgabenbereich entzogen? Eigentlich hätte der Entwurf im Rahmen der Geschäftsordnung drei Tage vorher regulär zusammen mit der Tagesordnung an alle Bezirksstadträte verschickt werden müssen. Aus Zeitgründen konnte das Papier bisher noch nicht in der BVV diskutiert werden, sagte das Bezirksamt.
Zudem beklagt Haubrok, dass ein für den Juli geplanter Runder Tisch Herzbergstraße bisher nicht angekündigt wurde. Mir gegenüber kündigte das Bezirksamt nun einen Termin an: Am 13. August wird es zu einem runden Tisch Herzbergstraße einladen. Für den 19. Juli hat Grunst die Staatssekretäre für Wirtschaft, für Kultur und Fachleute der Senatsverwaltung Stadtentwicklung eingeladen. Auch Monteiro wird dabei sein. „Das Bezirksamt ist an einer Lösung für die unterschiedlichen Nutzungen interessiert“, sagte mir Grunst zudem am heutigen Montag. Gemeint ist die Mischnutzung aus Kunst und Gewerbe. Haubrok wird das zur Kenntnis nehmen, er hat diese Sätze schon sehr oft gehört. Aber vielleicht wartet er mit dem Abzug der Fahrbereitschaft doch noch etwas?
Grunst kann die Ungeduld von Haubrok „absolut nachvollziehen“, sagte er mir am Montag weiter. „Das Engagement von Herrn Haubrok halte ich für einen Gewinn für Lichtenberg. Der in Aussicht gestellte Weggang wäre ein Verlust.“ Das Positionspapier bemühe sich um Planungssicherheit, für die Künstler*innen, für Gewerbetreibende und für das Dong Xuan Center. Was die Ausstellungen und deren Genehmigungen betrifft, bittet er um eine Nachfrage bei Stadträtin Monteiro, die jedoch am Montag für mich zunächst nicht zu sprechen war.