Namen & Neues
Von wegen Verständigung: Anwohner*innen widersprechen Einigung mit der Howoge
Veröffentlicht am 15.01.2018 von Robert Klages
Die Nachverdichtung im Ilsekiez ist kein leichtes Unterfangen für die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, deren Slogan da lautet: „Wir gestalten das Berlin der Zukunft lebenswert. Mehr als gewohnt.“ Am Ilsekiez zeigt sich ein typisches Problem für Berlin: Man will Wohnungen bauen, doch dort, wo man sie bauen will, sind die Anwohner*innen dagegen und fürchten um ihre Freiflächen. In dem Fall der Ilsestraße gab es mehrere „Runde Tische“: Vertreter*innen der Howoge, Politiker*innen vom Bezirksamt und betroffene Anwohner*innen der Initiative „Rettet den Ilsekiez“ trafen sich mehrmals. Am Mittwoch wurde dann ein „Kompromiss“ gefunden – so heißt es zumindest von der Wohnungsbaugesellschaft. Ein Anruf bei der Mieter*inneninitiative ergab, dass diese ganz und gar nicht damit zufrieden sind. Die Howoge wolle vollendete Tatsachen schaffen, heißt es auch von der Linkspartei.
Jedenfalls, so meldet die Howoge, könnten 187 Neubauwohnungen entstehen, von denen die Hälfte gefördert und zu Einstiegsmieten von 6,50 €/m² vermietet würden. Darüber hinaus umfassen die Pläne eine Kita mit 50 Plätzen, ein Blockheizkraftwerk und 83 Stellplätze. Auch ein Wiesenpark, der von der Bürger*inneninitiative gefordert worden sei, könne entstehen. Beschlossen ist hier noch nichts, das entscheidet das Bezirksparlament BVV und daraufhin das Bezirksamt. Und da die Linkspartei mit dem Entschluss nicht zufrieden zu sein scheint, dürfte das nicht so leicht werden. Auch die CDU positionierte sich zuletzt auf der Seite der Anwohner*innen und gegen eine Bebauung der Grünflächen – intern wenigstens. Von Seiten der SPD, die mit Birgit Monteiro auch die Baustadträtin stellt, heißt es, man wolle „den Anforderungen eines wachsenden Bezirks gerecht werden“ und befürworte den Bau der 187 Wohnungen, die besonders für Familien und Senioren geschaffen würden.
Howoge-Geschäftsführerin Stefanie Frensch erklärte: „Wir freuen uns sehr, dass der Runde Tisch die Bemühungen der Howoge anerkannt hat, für den Ilsekiez eine städtebaulich verträgliche und nachhaltige Weiterbebauung anzustoßen.“ In einer Pressemitteilung der landeseigenen Baugesellschaft heißt es: „Runder Tisch verständigt sich auf Howoge-Planung“. Bei der Versammlung hätte man sich auf eine Kompromiss-Planung zur teilweisen Bebauung der Innenhöfe verständigt.
Von Seiten der beteiligten Anwohner*inneninitiative heißt es jedoch, der Runde Tisch sei ohne großen gemeinsamen Konsens beendet worden. Der Runde Tisch habe sich in den letzten Sitzungen zunehmend nur noch auf die Erörterung, welche Variante der Bebauung durch die Howoge umgesetzt werden kann, konzentriert. Die Howoge habe den Bodenwert der Flächen mit 12 Millionen Euro angegeben und dargestellt, dass es wirtschaftlich nicht zu vertreten sei, diese Grundstücke nicht zu bebauen. (So viel also zum Artikel der „Zeit“, Schuld für die Wohnkrise sei eine Bodenkrise.)
„Die Pressemitteilung der Howoge ist unsachlich, respektlos mit der von Frau Frensch gewohnten Arroganz und Überheblichkeit gegenüber den Mietern im Ilsekiez geprägt“, sagte mir Dietmar Stengel von der Bürger*inneninitiative. „Wir werden jede politische und demokratische Möglichkeit nutzen, die Bebauung der Ilsehöfe zu verhindern.“
Der Vorschlag der Bürger*innen war, durch die Nutzung von Dachflächen in der Siedlung 134 Wohneinheiten zu schaffen. Zudem gibt es, wie aus einem Schreiben der Initiative hervorgeht, bereits ohnehin ein negatives Gutachten zur Bebauung der Freiflächen: Ein seit Oktober 2017 vorliegender Entwurf eines Gutachtens, welches vom Bezirksamt in Auftrag gegeben wurde, ist den Teilnehmer*innen des Runden Tisches vorenthalten worden. In diesem Gutachten wird u.a. festgehalten: „.. dass die Varianten der Howoge nach §34 BauGB genehmigungsunfähig sind.“
Beide Pressemitteilungen, sowohl von der Howoge als auch von der Bürger*inneninitiative, sind sehr ausführlich und könnten hier im Detail nicht dargestellt werden. Auch war ich selbst nicht Teil des Runden Tisches. Es ist allerdings erstaunlich, wie unterschiedlich die anschließenden Äußerungen der teilnehmenden Parteien sind. Doch es gibt auch Übereinkünfte. So wurde die Howoge aufgefordert, die Abstände zwischen Neu- und Altbauten an zwei Stellen zu vergrößern. Dies hat die Howoge zugesagt. Dieser Kompromiss wird auch von Seiten der Anwohner*innen bestätigt.
Nichtsdestotrotz schreibt die Linke: „Eine Chance auf Einigung wurde vertan.“ Der Runde Tisch habe zu „keinem zufriedenstellenden Ergebnis geführt“. Die Zusage der Howoge, die Abstände zwischen Neu- und Altbauten an zwei Stellen um wenige Meter zu vergrößern könne nicht als ernsthafte Alternative zur Innenhofbebauung verstanden werden, sondern sei „Kosmetik, die über das Scheitern eines tragfähigen Kompromisses hinwegtäuscht“. Dies sei lediglich eine winzige Änderung des Gesamtentwurfs, „den eine Mehrheit der TeilnehmerInnen in einer vorangegangenen Abstimmung ablehnte“.
Die Linken-Fraktionsvorsitzenden Kerstin Zimmer und Norman Wolf sagten weiter: „Der Wohnungsbau muss vorangetrieben werden, doch stets unter Beachtung einer behutsamen Nachverdichtung, die sorgfältig geprüft werden muss.“ Die Entscheidung für den Bau neuer Häuser sei eine Entscheidung für mitunter 100 Jahre. Schnelle Entscheidungen seien deshalb zu vermeiden.
Einen Alternativvorschlag hat die Linke auch, allerdings an einem anderen Ort: Anstatt die Grünflächen des Ilsekiezes zu bebauen, schlägt die Linke in einer Mitteilung vor, einen Standort in der Wartenberger Straße zum Wohnungsbau zu nutzen. Nördlich der Wartenberger Straße zwischen Kino und S-Bahn-Trasse ist bisher der Bau eines „Verbrauchermarktes“ vorgesehen. Die Linkspartei schlägt vor, diesen Bereich zum Wohnungsbau zu nutzen. „Der Bedarf an Wohnungen in Berlin ist unbestritten hoch und wird in den kommenden Jahren noch erheblich steigen. Demzufolge besteht die Notwendigkeit, alte Planungen an die heutigen Bedürfnisse anzupassen und Vorhaben auf ihren Nutzen für die Allgemeinheit zu hinterfragen“, so der Fraktionsvorsitzende Norman Wolf. „Der Standort an der Wartenberger Straße mit einem großen Flächenpotential ist geeignet, eine Vielzahl von Wohneinheiten zu realisieren. Angesichts des zunehmenden Drucks auf Grün- und Freiflächen auch in Innenhöfen sollten potentielle Bauflächen wie Brachen vorrangig als Wohnungsstandorte entwickelt werden.“