Namen & Neues
Große Diskussion um das Kita-Problem
Veröffentlicht am 23.04.2018 von Robert Klages
In Lichtenberg fehlen bis zu 2000 Kitaplätze (mehr dazu hier) und der Bedarf steigt weiter an. Immer mehr Leute, vor allem junge Familien, ziehen nach Lichtenberg. BM Michael Grunst spricht vom „ersten familiengerechten Bezirk“. Er möchte weiterhin Familien anlocken. Aus diesem Grund hat Grunst zusammen mit Beatrix Schwarze, der Geschäftsführerin des Vereins „Familiengerechte Kommune“, am Donnerstag einen Vertrag unterzeichnet. Innerhalb des Verfahrens wird der Bezirk nun die bisher erzielten Ergebnisse in puncto Familiengerechtigkeit auswerten: So hat der Bezirk beispielsweise zusätzliche Mittel für den Kita-Ausbau und weitere Familienzentren zur Verfügung gestellt, ein Familienbüro als Auskunfts- und Vermittlungsstelle für Angebote und Dienstleistungen rund um Familien eröffnet, eine Freiwilligenagentur ins Leben gerufen, und aktuell ein neues „Büro 55+“ ausgeschrieben. Letzteres soll die zentrale Anlaufstelle für Informationen sein, die sich um das Älterwerden drehen.
Auch Alleinerziehende würden in Lichtenberg stärker unterstützt, so Grunst. Darüber hinaus sollen neue Ziele sowie konkrete Maßnahmen für die folgenden drei Jahre formuliert werden. Ab Sommer 2019 werden diese dann umgesetzt, damit der Bezirk auch weiterhin das Zertifikat „Familiengerechter Bezirk“ tragen darf. „Lichtenberg will seine Infrastruktur den Bedürfnissen aller Lichtenbergerinnen und Lichtenberger anpassen und damit noch attraktiver für Familien werden“, sagt Grunst.
Doch das Kita-Problem bleibt: Plätze und Fachkräfte fehlen. Der Bezirk hat ein „Kita-Forum“ eingerichtet. Es soll eine Kita-Leitstelle „zur Beschleunigung des Kitaplatzausbaus“ werden. „Ziel der Maßnahme ist es, durch ämterübergreifende Koordination eine Beschleunigung beim Bau von Kindertagesstätten zu erreichen“, heißt es in der Pressemitteilung. Viel mehr steht da aber auch nicht.
Wie genau sollen Kitaplätze geschaffen werden? Das fragte nicht nur ich mich, sondern auch die Fraktionen der SPD und CDU. Sie fragten daher nach bei Jugendstadträtin Katrin Framke (parteilos, für Die Linke), die die Leitstelle betreuen wird.
„Ich kann verstehen, dass sich Ihnen das nicht erschließt, das geht auch noch nicht.“ So die Antwort von Framke. Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU, Kevin Hönicke und Gregor Hoffmann, ließen nicht locker. Was genau wurde denn auf dem Kita-Forum besprochen? Wie genau sollen die Probleme angegangen werden? Framke versicherte, dies im Mai erläutern zu wollen. BM Grunst versicherte, das er das Problem angehen werde. „Am Ende werden wir alle daran gemessen, ob wir Kitas geschaffen haben oder nicht. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich in dieses Thema reinhänge“, sagte er am Donnerstag. Er habe schon vor Jahren auf die Thematik hingewiesen und will das Thema beim nächsten Rat der Bezirksbürger*innenmeister*innen, der sich monatlich trifft, als Termin anmelden. Es müssten Grundstücke für den Kita-Neubau gefunden werden. (Dazu mehr in der Rubrik „Kiezgespräch“ und „Kiezkamera“, über einen Fall in Karlshorst.)
Die CDU wundert sich, dass sich Linke und SPD bei dem Kita-Thema so fetzen. Dabei habe man doch einen Kooperationsvertrag geschlossen: „… gemeinsam für die Schaffung von Kitaplätzen zu sorgen“, heißt es darin. Die 22 Lichtenberger Kitas haben gerade mal 28 Auszubildende. „Das ist ein Armutszeugnis“, heißt es von der CDU. Und genau das ist das Problem. Es fehlt an ausgebildeten Erzieher*innen, denn niemand scheint diesen Beruf erlernen zu wollen – zumindest nicht für das Geld. Das Problem wurde schon auf Bundesebene erkannt und auch Framke plädiert für bessere Bezahlung. Zudem habe man leider kaum Aufstiegschancen. Auch müsse der Beruf mehr Anerkennung erfahren, nicht nur in finanzieller Hinsicht, so Framke. Sie stellte auch das Kitasystem generell infrage und ist für die Förderung von Kitaeigenbetrieb.
Berlinweit beschäftigt der Kitaplatzmangel: Am Donnerstag kündigte Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) an, „befristete Überbelegungen“ in Kita-Gruppen seien ab sofort möglich. Außerdem sollen die Bezirke und eine „Kita-Task-Force“ bei der Senatsverwaltung ein Mitspracherecht bei der Platzvergabe in besonders dringenden Fällen bekommen. Diese werden von den bezirklichen Jugendämtern schon jetzt auf zentralen Wartelisten gesammelt. Bisher war es allein Sache der Kitaträger, wie sie die Plätze vergeben.
Doch was genau muss sich ändern? Das hab ich Kevin Hönicke (SPD) gefragt, der den Bezirk in Sachen Kitabau immer wieder stark kritisiert. Auf der Bezirksverordnetenversammlung am Donnerstag forderte er Michael Grunst schon fast heraus. Am Ende geht es wohl natürlich auch darum, wer und welche Partei sich irgendwann damit rühmen kann, das Kitaproblem gelöst zu haben. „Der Bezirk sollte seine Verantwortung im Kitaeigenbetrieb NordOst stärken und hier mehr Kitas schaffen“, so die Antwort von Hönicke. „Wenn Frau Framke meint, dass der Bezirk keine eigenen Kitas schafft, dann sollte der Bezirk aus dem Kitaeigenbetrieb aussteigen und es eben wieder alleine machen. Ich bin aber der Meinung, dass der Bezirk über den Kitaeigenbetrieb, auch mit Frau Framke als Verwaltungsratsvorsitzende, genügend Einfluss hat.“ Der Kitaeigenbetrieb sollte zudem mehr ausbilden.
„Auch sollte eine zentrale bezirkliche Vergabeliste gestellt werden, welche nach klaren und bekannten Regeln abgearbeitet wird. So gebe es eine bessere Übersicht, wie viele Kitaplätze eigentlich wirklich gebraucht werden und es würde gerecht verteilt werden“, so Hönicke weiter. Bezirke und Stadt sollten enger zusammenarbeiten. Das Hauptproblem: „Die bessere Bezahlung der Erzieher*innen und eine Vergütung in der Ausbildung muss unbedingt kommen“, fordert Hönicke. Auf meine Nachfrage, wie und wodurch eine bessere Bezahlung geschaffen werden könnte, meinte Hönicke: Es sollte 100 Prozent Zuschuss durch das Land auch für freie Träger geben. Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und freien Trägern wären sinnvoll. „Für den Eigenbetrieb und landeseigene Kitas könnte der Senat auch über Tarif bezahlen. Auch eine Ausbildungsvergütung für Erzieher könnte der Senat einführen!“