Namen & Neues

Heß-Marsch in Lichtenberg: Warum die Blockade nicht funktionierte

Veröffentlicht am 27.08.2018 von Paul Lufter

„Wo leben wir eigentlich, dass man mit Bannern, auf denen „Ich bereue nichts“ steht, einem Kriegsverbrecher wie Rudolf Heß gedenkt?“, so Bezirksbürgerinnen*meister Michael Grunst (Die Linke) in einem Gespräch am vergangenen Donnerstag. Schon am Wochenende des Heß-Marsches hat er seinem Unmut auf Twitter Luft gemacht: „Mich ärgert die Entscheidung der Versammlungsbehörde, die Demo durch die halbe Stadt dann in Lichtenberg abzuladen.“ Gleichzeitig bedankte er sich bei den „vielen Berlinerinnen und Berliner, die sich den Nazis friedlich entgegenstellen.“ Am Ende waren es jedoch zu wenig, um den Marsch der Nazis zu stoppen.

Nachdem die Rechten sich aus Spandau zurückgezogen und stattdessen ihre Alternativroute durch Friedrichshain und Lichtenberg benutzt hatten, kamen bei weitem nicht alle der ca. 2500 Gegendemonstrant*innen nach (Quelle: Neues Deutschland). Lediglich 500 von ihnen stellten sich den 700 Nazis entgegen, die sich in Anlehnung an die SA in weißen Hemden und schwarzen Hosen uniformiert hatten. Blockaden blieben erfolglos. Anlass für Robert D. Meyer, in einem Artikel für das Neue Deutschland die Frage zu stellen, ob Blockaden gegen Menschenhass derzeit noch funktionieren, sich überhaupt genug Menschen dafür mobilisieren lassen? In den letzten Monaten habe es mehrere solcher Rückschläge gegeben und die letzten großen Erfolge antifaschistischen Protests liegen laut Meyer lange zurück. In Berlin habe der Konsens in der Gesellschaft gefehlt, den Rechten nicht die Straße zu überlassen, so Meyer abschließend.

Der fehlende Konsens mag nicht das einzige Problem gewesen sein. Auch logistisch wurde es den Gegendemonstran*innen durch den Wechsel der Route nicht einfach gemacht. Wie Grunst berichtet, haben ihn in den vergangenen Tagen Berichte verschiedener Personen erreicht, die am S-Bahnhof Lichtenberg von der Polizei nicht zu der unter der dortigen Brücke angemeldeten Gegendemo vorgelassen wurden, teils nicht das Bahnhofsgebäude verlassen durften. Insgesamt hatten 2300 Beamt*innen den Heß-Marsch durch die Stadt geleitet, wie Kollege Frank Jansen berichtete. „Wenn entsprechende Genehmigungsbehörden mehr Energie darauf verwenden würden zu prüfen, ob eine solche Demo wirklich zulässig ist, anstatt diese auf deren Begleitung zu verwenden, wäre das vielleicht sinnvoller“, so Grunst.

Gleichzeitig betont Grunst auch, die anwesenden Beamt*innen hätten nur ihren Job gemacht. Er sei froh, dass die Demonstration in weiten Teilen friedlich verlaufen sei. Leider gab es Ausnahmen. Teils flogen Flaschen und Steine, wie die Berliner Polizei in einem Tweet noch am Tag der Demonstration bekanntgab. In ihrer Abschlussbilanz ist die Rede von 45 Ermittlungsverfahren.

Wie der Bezirksbürger*innenmeister waren viele Anwohner*innen wenig begeistert, dass der Demonstrationszug durch Lichtenberg zog und dort endete. Mehrmals erreichte Grunst die Frage, warum Nazis „immer bei uns abgeladen“ würden. Dass die Veranstalter*innen des Aufmarsches zwei Routen – eine durch Spandau und eine durch Friedrichshain bis nach Lichtenberg – angemeldet haben, hält Grunst – ähnlich den Berichten einiger Medien – für eine bewusste Choreografie.