Namen & Neues

Mehr Kultur, mehr bezahlbarer Wohnungsraum, Erhalt bestehender Bebauung und viel Grün

Veröffentlicht am 18.03.2019 von Carina Kaiser

Dafür weniger Gewerbefläche und keine „Coral World“. Zusammengefasst soll so die Zukunft der über 30.000 Quadratmeter großen Fläche am Ostkreuz aussehen, die die Initiative „Rummelsburger Bucht retten!“ am vergangenen Donnerstag in ihrem Alternativkonzept zum offiziellen Bebauungsplan „Ostkreuz“ präsentiert hat. „Mit diesem Konzept möchten wir einen Vorschlag an die Stadtpolitik machen. Einen Vorschlag, der aufzeigt, wie die vorhandenen Qualitäten integriert und weitergedacht und gleichzeitig die zentralen Bedürfnisse der Anwohner*innen und die der Stadt Berlin erfüllt werden können“, heißt es in dem Konzeptpapier, das hier vollständig eingesehen werden kann.

„Das, was der Bezirk plant, ist aus der Zeit gefallen“, sagt Aktivist Iver Ohm während der Präsentation. Zur Erinnerung: Der Bebauungsplan des Bezirks sieht Gewerbe- und Wohnungsbau vor, bestehende Gebäude sollen abgerissen und Mieter umgesetzt werden. Zudem ist ein Erlebnispark am Wasser, die „Coral World“ geplant. „Der Bebauungsplan ist kein solidarischer und zukunftsfreundlicher Plan“, sagt dazu Ohm und spricht vom „Ausverkauf der Stadt“.

Entwicklungen der alternativen Konzepts waren in den vergangen Newslettern von Kollege Robert Klages immer wieder Thema. Die Grundlagen und Ideen für das Alternativkonzept entstanden aus den ausgewerteten Ergebnissen der Ideenwerkstatt zum Thema „Bebauungsplan am Ostkreuz“, an der im November ca. 40 Personen teilgenommen haben – darunter Anwohner und Betroffene aus dem Planungsgebiet, Vertreter stadtpolitischer Initiativen und Politiker der Landes- und Bezirksebene. In dem Entwurf sind neben den Forderungen der Aktivisten, die Anregungen eines anerkannten Fachanwalts für Planungsrecht sowie Ideen von Stadtplanern, Architekten, Kommunikationsdesignern und die eines Illustrators eingeflossen.

Die Vision der Verfasser – sie nennen es „urbanes Biotop“ – wird in dem Konzept deutlich: sie wollen kollektives, solidarisches und gemeinwohlorientiertes Wohnen in natürlicher Umgebung ermöglichen „Wir wollen auf rechtlicher Grundlage zeigen, was möglich ist“, sagt Mitverfasser und Anwohner Florian Hackenberger. Ein Blick auf den alternativen Bebauungsplan der Aktivisten und man sieht: Möglich wäre demnach eine Menge.

Der alternative Plan sieht die Bedürfnisse der Anwohner vertreten, möchte das Stadtbild samt erschwingliche Gewerbe- und Grünflächen zukunftsorientierter gestalten und Kulturstätte erhalten. Platz dafür sei vorhanden, ließe man das 40 Millionen schwere Projekt „Coral World“ und den dafür vorgesehen Parkraum weg. Im direkten Vergleich zu dem aktuellen Bauplan XVII-4 „Ostkreuz“ bietet die Alternative demnach:

  • knapp 30 Prozent mehr (und günstigerer) Wohnraum
  • über 500 Wohnungen würden landeseigen bleiben und nicht an private Investoren verkauft
  • mehr Kitaplätze und insgesamt über 20 Prozent an Mehrfläche für Bildung
  • mehr genossenschaftliches Gewerbe, mehr kleine Läden und eine bessere Nahversorgung
  • weniger würden Bäume gefällt, damit 34 Prozent der Biotope erhalten bleiben
  • einen grünen Blick vom Wasser zur Stadt
  • Raum für alternative Wohnformen, z.B. durch ein Mehrgenerationenhaus, durch Tiny Houses oder durch Mischnutzung (Wohnen und Kultur), wobei auch beachtet wurde, dass Lärmbelästigung bei Entstehung solcher Begegnungsmöglichkeiten auf ein Minimum reduziert sind
  • Raum für soziales Wohnen und das Obdachlosencamp in verbesserter Form erhalten
  • Schutz für Kulturstätten wie Rummels Bucht oder den Kanuverleih
  • mehr Raum für neue Kulturangebote
  • autofreies Wohnen

Das Ziel der Bemühungen der Initiative ist nicht eine vollständige Verhinderung der Bebauung des Gebietes, sondern eine Änderung der Planungsziele. „Uns ist der Erhalt des Bestandes wichtig, weil Gebäude als Identifikationsanker des Gebietes dienen – altes und neues könnte sich gut ergänzen“, sagt Ohm.

Die Initiative richtet ihr Anliegen für eine Neu-Planung nun an das Land Berlin (Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher, Linke). Auf Bezirksebene wollen sie die Alternativen aufzeigen und erreichen, dass die BVV Lichtenberg den aktuellen Bebauungsplan ablehnt und damit den Ball zurück an das Land spielt.

Scheitern sollte der Alternativentwurf nicht an der städteplanerischen Machbarkeit, sondern eher an politischen Hürden. Michael Grunst erklärte vergangene Woche auf Facebook, dass es auf Seiten des Bezirks wenig Handlungsspielraum gebe, weil das Land selber vor Jahren mit voreiligen Verkaufsbeschlüssen viel Schaden verursacht habe. Die Grundstücke seien „in ‘letzter Sekunde’ von der SPD/CDU Koalition verkauft und so der öffentlichen Hand entzogen“, und der Bezirk damit vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Dabei bezieht er sich vor allem auf den Verkauf an private Investoren, den der rot-schwarze Senat wohl schon in seiner letzten Sitzung im Sommer 2016 beschlossen habe.

Grunst sagt dazu: „Das Bau- und Planungsrecht des Bezirks wird den im Land begangenen Fehler des Grundstücksverkaufs nicht heilen können“. Hackenberger, Sprecher der Aktivisten, ist der Meinung, dass der Bezirk hier besser hätte kommunizieren können. „Das Abgeordnetenhaus hätte die Verträge wohl kaum geschlossen, wenn der Bezirk gefordert hätte, die konkreten Käufer erst nach dem Beschluss festzulegen“, sagt er. Es gibt verschiedene Aussagen dazu, ob die Verträge erst nach einem BVV-Beschluss rechtsgültig werden oder nicht.

Mit den Forderungen der Initiative befürchtet Grunst erneute Verzögerungen oder Stillstand auf der Fläche am Ostkreuz. Bereits für Donnerstag stand die Abstimmung zum Investoren-B-Plan „Ostkreuz“ auf der BVV-Tagesordnung. „Das habe sich mittlerweile geändert“, so Hackenberger. Wie es aussieht, muss der B-Plan laut BVV Geschäftsordnung (§36 Abs 4) zuerst in den Ausschuss überwiesen werden. „Das wusste offenbar auch die SPD nicht, die Anfang der Woche auf einen direkten Beschluss in der BVV am 21. März gedrängt hatte. Sehr amüsant“, sagt Hackenberger. Hier die Tagesordnung der BVV.

Die Initiative verlangt vor dem Beschluss in der BVV im Mai eine Prüfung ihrer Entwürfe. Sie wollen vom Bezirksamt und der BVV angehört werden, um ihren ausgearbeiteten Planungsvorschlag vorzustellen und Raum für Diskussion zu bekommen. Möglich wäre das bei der Informationsveranstaltung des Bezirks, die am Mittwoch im Cinestar in Treptow stattfinden soll (19 Uhr).