Namen & Neues

Bezirk und Senat streiten über Zuständigkeit für Obdachlose

Veröffentlicht am 16.12.2019 von Robert Klages

Warum hilft der Bezirk den Obdachlosen nicht? Auf der Rummelsburger Bucht ist das größte Obdachlosencamp Deutschlands entstanden. Nun muss das niemandem gefallen, aber es ist nunmal da – und es wird kalt. Die Stadt, die Bezirke und der Senat leisten bisher keine Hilfe vor Ort. Noch im letzten Jahr hatte es Wärmedecken, Tee etc. gegeben. In diesem Jahr fällt das weg. Warum, steht hier. Das hatten wir letzte Woche schon.

Im Anschluss an die Berichterstattung ging es auf Twitter noch her: Birgit Monteiro (SPD), schrieb, sie als Bezirksvertreterin habe sich bereits mehrfach an den Senat gewandt und um Hilfe gebeten. Alexander Fischer (Linke), Staatssekretär für Arbeit und Soziales, antwortete, man sei bereit, den „Bezirk bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen“. Für den morgigen Dienstag hat Monteiro Vertreter*innen des Senats ins Rathaus Lichtenberg eingeladen. Hoffentlich kann die Hilfe vor Ort dann endlich starten. Vermutlich geht es, wie so oft, darum, wer das denn nun bezahlt: Der Bezirk oder die Stadt. Unterdessen frieren die Obdachlosen weiter.

„In der Kältehilfe gibt es ausreichend freie Plätze, die den Bewohner/innen des Camps offen stehen“, twitterte Fischer dann noch – und betonte nochmal, dass der Bezirk hier in der Pflicht sei. Dass viele Obdachlose die Kältehilfe nicht in Anspruch nehmen, hat diverse Gründe. Dort sind Hunde oftmals nicht erlaubt. Und die Obdachlosen wollen ihre Hunde nicht erfrieren lassen, verständlicherweise. Außerdem ist es klar, dass der Alkoholkonsum in den Unterkünften eingedämmt wird, was einige nicht wollen oder können.

Der wohl wichtigste Grund ist allerdings, dass sich die obdachlosen Menschen nicht von ihren Strukturen trennen wollen. Sie können mal eine oder mehrere Nächte in den Notunterkünften schlafen, haben aber Angst, ihren Platz auf der Straße („Platte“ genannt) zu verlieren, wenn sie länger wegbleiben. Jemand könnte ihr Zelt stehlen, ihren Platz einnehmen oder Ähnliches. Zudem leben sie in Abhängigkeitsverhältnissen zu anderen Personen, die auch auf der Straße leben.

Die Hilfskräfte in den Notunterkünften leisten einen wichtigen und starken Beitrag. Aber es muss auch vor Ort, draußen, für die Menschen auf der Straße gesorgt werden im Winter. Sonst gibt es Kältetote. Einfach zu sagen, sollen sie doch in eine Unterkunft gehen, ist zu einfach – so schwierig es scheint, das zu akzeptieren.

„Ich erwarte vom Senat und dem Bezirk, nicht auf Twitter einander die Schuld zuzuschieben, sondern sich zügig an einen Tisch zu setzen und Lösungen im Sinne der Menschen zu finden“, schreibt mir die Grünen-Abgeordnete Fadime Topaç. Sie schreibt weiter: „Zahlreiche Obdachlose haben entweder keine sozialhilferechtlichen Ansprüche, müssten jedoch trotzdem durch die Sozialämter untergebracht werden. Des weiteren ist ein nicht unerheblicher Teil auf der Straße aufgrund von Exklusionsmechanismen in den Wohnungslosenunterkünften. Dazu gehören ‚verhaltensauffällige Personen‘, die z.B. suchtkrank sind bzw. alkoholabhängig.“

„Der Senat hat keinerlei Überblick über die bestehenden Exklusionsmechanismen in den Wohnungslosenunterkünften“, meint Topaç. „Statt diese abzubauen werden diese gerechtfertigt. Dass die Betroffenen dann auf der Straße sitzen, ist für mich inakzeptabel. Auch die Personen, die an der Rummelsburger Bucht sitzen, brauchen passgenaue Angebote und Hilfe anstatt Opfer dieser Exklusionsmechanismen zu sein.“ Topaç hat eine Anfrage an den Senat diesbezüglich gestellt. Daraus geht hervor:

„Im Bereich der Kältehilfe gibt es eine Unterkunft im Bezirk Lichtenberg von Berlin.“ In Zahlen: 1. Das Haus Sophie in der Wollenberger Straße 10 öffnet für wohnungslose Personen während der Kälteperiode, welche vom 01. Oktober bis 30. April andauert, von 17:00 – 08:00 Uhr.

Im Bereich der ganzjährigen Unterbringung gibt es neun Unterkünfte im Bezirk. Des Weiteren befindet sich ein Tagestreff für wohnungslose Personen am U-Bahnhof Lichtenberg. In den ganzjährigen Unterbringungen erhalten wohnungslose Personen durch die soziale Wohnhilfe Zuweisungen für diese Unterkünfte. Die Zeiträume der Unterbringungen richten sich nach der sozialpädagogischen Einschätzung der zuständigen Sozialarbeiter*innen und ist abhängig von der Leistungsgewährung nach SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

SPD und Grüne fordern Bezirk und Senat zum Handeln auf. In einem Antrag der SPD heißt es, das Bezirksamt solle ersucht werden, „gemeinsam mit dem Senat und weiteren handelnden Akteuren an der Rummelsburger Bucht unterstützende Angebote für die Wohnungslosen an der Rummelsburger Bucht zu finden, so dass Gefährdungen durch Kälte verhindert werden.“

Die BVV nahm diesen Antrag am Donnerstag an. Dann kann es also losgehen mit der Kälterhilfe? Naja mal abwarten. In dem Antrag heißt es auch, es solle nicht mit dem Senat um Zuständigkeiten gestritten werden. Gleichzeitig steht in dem Antrag, das dem Senat die Fläche gehöre: „Der Senat als Grundstückseigentümer hat hierbei natürlich eine herausragende Verantwortung.“ Also schiebt auch die BVV die Verantwortung an den Senat anstatt einfach tätig zu werden.

Die Grünen schrieben in einer Pressemitteilung, der Ausschuss für Soziales habe ihren Antrag  „Schaffung winterfester Unterkünfte für die Obdachlosen in der Rummelsburger Bucht“ abgelehnt.

Die Grünen erkennen die Bemühungen von SPD-Stadträtin Monteiro an, alle Verantwortlichen an einen Tisch zu bekommen. „Allerdings halten wir es für wesentlich, dass die Betroffenen in die Entscheidungsfindung eingebunden werden. Nur sie wissen, welche Angebote ihnen in ihrer Situation weiterhelfen.“ Na also: nicht über die Menschen reden, sondern mit ihnen. Auch die Linksfraktion erkennt in einer Pressemitteilung: „Wir halten es für wichtig, mit den Menschen vor Ort das Gespräch zu suchen und sie in Hilfesysteme zu vermitteln. Nur das bringt auf Dauer eine Verbesserung der Lebenssituation mit sich.“