Namen & Neues

"Eugeniu-Botnari-Platz": Vorplatz vom Bahnhof Lichtenberg soll nach Opfer rechter Gewalt benannt werden

Veröffentlicht am 21.09.2020 von Robert Klages

Am Donnerstag veranstaltete die Antifaschistische Vernetzung Lichtenberg (AVL) vor dem Bahnhof Lichtenberg eine Kundgebung anlässlich des vierten Todestages von Eugeniu Botnari. Die Initiative fordert die Benennung des Bahnhofsvorplatzes nach Botnari als Opfer rechter Gewalt. Dieser erhielt am Donnerstag bereits symbolisch den Namen. Zu den Unterstützer*innen der Initiative zählen Aktiv in Lichtenberg (AiL), Amaro Foro, Basta, Licht-Blicke, Reach Out und die Bundesvereinigung der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)

Eugeniu Botnari ist am 20. September 2016 in Folge eines Angriffes verstorben, der sowohl rassistisch motiviert als auch gegen sozial-ökonomisch schwache Menschen gerichtet war. Der Täter war Filialleiter des Edeka-Supermarktes im Bahnhofsgebäude. Dieser hatte Botnari des Diebstahls bezichtigt und daraufhin äußerst brutal an Kopf und Körper verletzt.

Der Berliner Beratungsstelle Reach Out zufolge wurden Ende Januar 2017 Ermittlungen gegen den Filialleiter André S. aufgenommen und ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet. Dieser setzte laut Zeug*innenaussagen seine Quarzsandhandschuhe regelmäßig gegen jene ein, die er als vermeintliche „Ausländer“ erkannte. Diese waren meistens obdachlos.

Es war die Regel, sie in einen Lagerraum zu bringen, dort zu schlagen und dies zu filmen. Die Aufnahmen stellte S. in einen WhatsApp-Chat mit den Worten „Moldawien zu Gast bei Freunden“. Das Gericht sprach den Angeklagten am 27. März 2017 der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig und verurteilte ihn zu 3 Jahren und 3 Monaten Haft. In der mündlichen Urteilsbegründung verwies der Vorsitzende Richter auf die Menschenverachtung, den Rassismus und Zynismus, die der Angeklagte bei der Tatausübung gezeigt habe. In einem anschließenden Gerichtsverfahren 2019 wurden drei weitere Supermarkt-Mitarbeitende aus den Filialen Lichtenberg und Südkreuz zu 12 bis 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Diese hatten Gewalttaten gegen Opfer aus dem „Trinker- und Obdachlosenmilieu“ gestanden.

Hatte Botnari gestohlen? In zahlreichen Medienberichten zu dem Fall wird dies als eindeutig festgehalten. Allerdings beruht dieser Vorwurf laut Reach Out, deren Mitarbeitende den Prozess verfolgt haben, ausschließlich auf der Aussage des Täters S. und konnte nicht verifiziert werden. Selbst wenn Botnari gestohlen haben sollte, rechtfertigt dies keinesfalls die Brutalität des Filialleiters.

Die Initiative richtet sich nun an die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) sowie an die Deutsche Bahn, der das Gelände gehört: „Im Angesicht der gegenwärtigen Debatten um die Sichtbarkeit von Rassismus im öffentlichen Raum fordern wir, den bisher namenlosen Bahnhofsvorplatz in Lichtenberg umzubenennen. So kann ein Gedenkort entstehen, um das Andenken an die Opfer rechter Gewalt fest im Bewusstsein des Stadtteils zu verankern.“

Bezirksbürger*innenmeister Michael Grunst (Linke) sagte während der BVV, die zeitgleich zur Kundgebung stattfand, er begrüße die Initiative für den Botnari-Platz. Auch als Anwohner des Weitlingkiezes sei er dafür. Es waren seine ersten Worte in den „Mitteilungen des Bezirksamts“. Fast alle BVV-Fraktionen schienen bereit, der Umbenennung zuzustimmen – doch die AfD lehnte eine Aufnahme des Antrags in die Konsensliste ab. Daher stand das Thema zwar noch auf der Tagesordnung, konnte aber aus Zeitgründen nicht mehr besprochen werden.

Die Kundgebung ist Teil eines Gedenkmonats an die Opfer rechter Gewalt in Lichtenberg. In diesem Zusammenhang sind zwei Broschüren erschienen, die jeweils einen Todesfall, das Opfer, sowie die Umstände des Todes erörtern. Sie sind auf berlin.niemandistvergessen.net zu lesen. Neben Botnari wird Kurt Schneider vorgestellt, der 1999 von Neonazis ermordet wurde. Am Eingang zum ehemaligen Urnenfriedhof am Hoenerweg wurde Schneider von den Männern zunächst zusammengeschlagen und dann ermordet. Die Tatwaffe, ein Messer, wurde bei den Neonazis gefunden. Ein Gericht verurteilte die Täter im Jahr 2000 zu lebenslanger oder jahrelanger Haft wegen Mordes oder schwerer Körperverletzung. Sie waren teilweise vorbestraft und zählten zu diversen bekannten rechtsextremen Kreisen, darunter die NPD.

In der Haft blieben die Täter ihrer Gesinnung treu. Einer von ihnen schrieb an die Gefängniswand: „Grüsse an alle Kameraden“ und verwendete dabei SS-Runen. Die JVA-Tegel galt als „Streichelzoo für Neonazis“. Dort war auch Michael Regener, Sänger der Neonazi-Band Landser, inhaftiert. Es heißt, sie hätten Kameradschaftstreffen in der Knastkirche abhalten können.

Für Schneider werde bald eine Gedenktafel am Todesort aufgestellt, dem ehemaligen Urnenfriedhof, schreibt die Initiative. Dort liegt die Asche des Opfers bisher in einem anonymen Urnengrab. Beschlüsse dazu liegen nicht vor, aber die Initiative sagte auf Nachfrage, die bezirkliche Gedenktafelkommission habe dies per Mail zugesichert. Belegen konnte man mir dies allerdings bisher nicht, und auch das Bezirksamt reagierte leider nicht auf eine Anfrage. Tim Reiche, ein Sprecher der AVL: „Wir freuen uns, dass der Bezirk Verantwortung übernimmt und die tödlichen Folgen rechten Denkens im Stadtbild sichtbar macht. So wie bei der Gedenktafel für Schneider hoffen wir auch bei der Forderung zur Platzbenennung nach Botnari auf Unterstützung.“

Und was sagt die aktuelle Leitung des Edeka-Marktes am Bahnhof? „Wir haben nachdem von Ihnen benannten Vorfall alles getan, dass sich Vorgänge in dieser Art auf keinen Fall nochmals ereignen“, schreibt mir „Ihr Edeka im Bahnhof Lichtenberg“. Ich hatte eine Anfrage gestellt und hätte mich gern mit der derzeitigen Leitung vor Ort über die Situation unterhalten. Interviews möchte mein Edeka im Bahnhof Lichtenberg allerdings nicht geben.