Namen & Neues
Festnahmen wegen FDJ-Fahnen bei Gedenk-Demo für Luxemburg und Liebknecht
Veröffentlicht am 11.01.2021 von Robert Klages
Zur jährlichen Gedenk-Demonstration zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die am 15. Januar 1919 von Freikorps-Soldaten in Berlin erschossen wurden, kamen am Sonntag, laut Polizei, mehr als 1000 Personen. Von der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain aus ging es zu der „Gedenkstätte der Sozialisten“ in Friedrichsfelde. Doch bevor der Demo-Zug starten konnte, mussten zunächst die FDJ-Fahnen entfernt werden, die von einigen Teilnehmenden mitgebracht worden waren. Die Gemengelage ist hier unklar. Mir wird berichtet, die Polizei habe über den Lautsprecher verlauten lassen, es könnte erst losgehen, wenn die Fahnen verschwunden sind. Der RBB berichtet, Beamt*innen hätten gewaltsam eingegriffen und die Fahnen entfernt.
Aber sind diese verboten? Dazu der RBB: „Die Polizei sprach von verbotenen Fahnen. Unter Juristen besteht Uneinigkeit darüber, ob das Zeigen von FDJ-Symbolen unter Strafe gestellt werden sollte.“ Der Kollege Julius Betschka im Tagesspiegel-Checkpoint: „Niemand weiß das so ganz genau.“ Nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ist das Verwenden von FDJ-Abzeichen nach Paragraf 86a Strafgesetzbuch strafbar, ist sich die „Morgenpost“ sicher. Die „B.Z.“ schreibt: „Aus Sicht der Berliner Polizei ist das Zeigen der blauen Flaggen der Freien Deutsche Jugend verboten, einige Gerichtsurteile bestätigen das aber nicht.“ Die „taz“ berichtete 2015 von einer „absurden Rechtslage“, als ein Mann in München freigesprochen wurde, nachdem er wegen des Tragens eines FDJ-Symbols angeklagt worden war.
Auch auf Twitter wird diskutiert, mit und über die Polizei, die auch nochmal sagte, dass es um die Fahnen ging bei den Festnahmen. „Verstöße gegen das Versammlungsgesetz sowie des Verdachts des Zeigens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet.“
Wenn es die Polizei genau zu wissen scheint, wird sie sich und die Festnahmen wegen der Fahnen juristisch begründen müssen. Polizeipräsidentin Barbara Slowik rechtfertigte den Einsatz am Montag im Innenausschuss. Die Demonstrierenden hätten gegen das Uniform-Verbot auf Demonstrationen verstoßen. Außerdem sind die Symbole der früheren FDJ in Westdeutschland verboten – nicht jedoch die der FDJ in der DDR. Aber die Symbole ließen sich „schwer differenzieren“, so Slowik. Vor der Demo sei mit dem LKA abgesprochen worden, dass bei FDJ-Hemden und -Fahnen bei der Demo von einem Anfangsverdacht 86a ausgegangen wird
Fest steht, dass man der FDJ und ihren Nachfolgeorganisationen durchaus skeptisch gegenüberstehen kann und sollte. Fest steht auch, dass die Polizei diese am 3. Oktober in einem großen Demo-Zug samt zahlreicher Fahnen über die Karl-Marx-Allee spazieren ließ. Niemand schritt ein oder knüppelte dazwischen. Was denn nun? FDJ knüppeln oder nicht? Die Polizei möge sich entscheiden. Auch aufgrund dieser Lage sind sich einige Links-Politiker*innen einig, dass die Polizei während der Luxemburg-Liebknecht-Demo unverhältnismäßig hart vorgegangen sei. Im Gegensatz zu Querdenker-Demos gebe es bei linken Demos gleich Zugriffe und Pfeffer, twitterte Niklas Schrader. Das sonst übliche Gedenken der Parteilinken wurde in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie auf den 14. März verschoben.
„Was für ein Unterschied zu Querdenker- und Schwurbler-Demos. Nicht hinzunehmen“, schrieb Tobias Schulze, stellvertretender Vorsitzender der Berliner Linken. Er findet die Festnahmen aufgrund der FDJ-Zeichen absurd: „Selbst in Bayern ist das Tragen von Blauhemden nicht mehr geahndet. Im Osten war es das nie. (Und ich bin nie ein Freund der FDJ oder dieses Kostümfaschings gewesen).“ Demo-Teilnehmende vermuten, die Polizei habe einen Grund gesucht, die Veranstaltung aufzumischen.
Die ehemalige SED-Jugendorganisation ist seit 1951 verboten. Aber wohl nur die FDJ-West, und nicht die FDJ-Ost. Und auch nicht die FDJ-Nachfolgeorganisation, die am 3. Oktober auflief. Es könnte nun also sein, dass die Demonstrierenden der Demo am Sonntag die verbotenen West-Symbole (im Osten der Stadt) gezeigt haben – und jemand bei der Polizei dies unterscheiden konnte. Allerdings dürfte dies nicht leicht sein, da die Symbole identisch zu seien scheinen. 2014 wurden zwei Mitglieder vom FDJ-Jugendverband vom Amtsgericht freigesprochen, die ihre blauen FDJ-Hemden am Mauergedenktag 2012 trugen und deswegen angeklagt waren. Einer der Männer erschien in FDJ-Montur vor Gericht – er schien sich seiner Sache sicher zu sein. Hier nachzulesen.
Laut RBB hatte es „Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizisten“ gegeben, vor Beginn der Demo. Zudem seien Corona-Abstände nicht eingehalten worden. Demo-Teilnehmende sehen hier eine Schikane: Denn die Demo habe ja nicht starten können, weil die Polizei die Fahnen erst entfernt sehen wollte, daraufhin habe man sich gestaut und, auch aus Angst vor Angriffen durch die Polizei, zusammengeschlossen. Laut RBB flogen aus den Reihen der Demonstrierenden Flaschen auf die Polizist*innen und es wurden Böller gezündet. Laut „Morgenpost“ waren die FDJ-Fahnen „Auslöser der Auseinandersetzungen“.
Resultat: 32 Personen wurden vorübergehend festgenommen und 56 Strafanzeigen erstattet. Unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoßes gegen das Verwenden von Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen. Bei den Auseinandersetzungen wurden 17 Polizist*innen verletzt, zwei von ihnen mussten ihren Dienst beenden. Ein Beamter wurde in ein Krankenhaus gebracht. In der „Linken Szene“ wird derweil noch tüchtig diskutiert – einige wollen nicht mit Stalinist*innen zusammen auf der Straße stehen.