Namen & Neues
Illegale Clubs, Menschenhandel und 42 Friseurgeschäfte: In der Herzbergstraße soll "aufgeräumt" werden
Veröffentlicht am 22.02.2021 von Robert Klages
Die Herzbergstraße findet schon länger besondere Beachtung. Jahrelang tagte ein Runder Tisch, um zu klären, was dort genehmigt werden kann – und was verboten. Von Dong-Xuan-Center über Clubbetriebe bis zu Proberaumarealen findet sich einiges in der Straße. Es treffen sich kulturelle und industrielle Nutzungen – und stehen offenbar in Konflikt miteinander. Hier ein Überblick von 2018. Bekannt ist der Streit mit Unternehmer Axel Haubrok, der auf dem Gelände der ehemaligen DDR-Fahrbereitschaft einen Ort für Kunstschaffende erschaffen hat – der Bezirk untersagte hier aber lange Ausstellungen und den Bau einer Kunsthalle. Unter dem neuen Stadtrat Kevin Hönicke (SPD) näherte man sich wieder etwas an. Fest steht, dass produzierendes Gewerbe in der Herzbergstraße Vorrang haben soll. Eine Kulturmeile wird es wohl nicht mehr werden.
Anstatt die jahrelang mühsam erarbeiteten Ergebnisse des Rundes Tisches in einem Bebauungsplan umzusetzen, soll es nun, genau, noch mehr Runde Tische geben. Am Donnerstag wurde während der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg darüber intensiv debattiert.
Das vietnamesische Handelszentrum „Dong-Xuan-Center“ (DXC) ist ein berlinweit bekanntes Ausflugsziel und skurriles Erlebnisparadies aus Plastikblumen, Massagesalons und wuseligem Shopping. Immer wieder in den Schlagzeilen sind die Hallen allerdings auch wegen möglicherweise mangelnder Brandschutzmaßnahmen, illegalem Glücksspiel und, vor allem, Menschenhandel. Im Januar war wieder eine Dokumentation zu dem Thema erschienen, die in Lichtenberg spielt. Titel: „Handelsware Kind“.
Hönicke sagte, es sei in diesem Bereich zu lange gezögert und nichts unternommen worden. Es könne nicht sein, dass das DXC als „Zentrum für Menschenhandel“ Schlagzeilen mache. Ansonsten sei die Straße die „industrielle Zeche“ des Bezirks. Hönicke warnte vor einer möglichen Entwicklung wie in der Revaler Straße in Friedrichshain: Einst Gewerbemeile, dann kamen viele Clubs und Bars – die dann wieder durch Luxuswohnungen vertrieben wurden. Was in der Herzbergstraße aber eigentlich nicht passieren kann, denn Wohnnutzung ist hier untersagt (bis auf die wenigen Wohnungen, die es bereits gibt).
Daher könnten Gewerbe und Kunst eigentlich gut koexistieren. Trotzdem warnte Hönicke davor, die Kunst könnte das Gewerbe vernichten. Er will sich für das Gewerbe in der Straße einsetzen und dieses rechtlich sichern. „Die Revaler Straße zeigt, welche verdrängende Wirkung die Ansiedlung bestimmter Nutzungen haben kann“, so Hönicke. „Dass nicht genehmigte Clubs dort doppelt gegen Regeln während der Pandemie verstoßen, können wir nicht weiter dulden.“
BVV-Vorsteher Rainer Bosse (Linke) kündigte an, man werde die Straße nach illegalen Nutzungen absuchen und diese unterbinden. Nutzungsanmeldungen und Bauanträge sowie Genehmigungen sollen von allen Mieter*innen eingeholt und geprüft werden. Bosse beschwerte sich, dass es das Bezirksamt innerhalb eines Vierteljahrhunderts nicht geschafft habe, einen Bebauungsplan aufzustellen, der das Gewerbe sichert. Es soll mehr Kontrollen geben, denn in der Straße gibt es einige „Kantinen“ – die lediglich getarnte Restaurants seien. Letztere sind in der Straße nicht erlaubt, erstere schon. In Sachen Dong-Xuan-Center sollte eigentlich bereits ein Bericht des Bezirksamts zum dortigen Brandschutzmanagement vorliegen.
41 Friseurläden gibt es im DXC, die lange weitermachen durften, auch während der Pandemie. Eine ausführliche Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion gibt öffentlich Auskunft über die diversen Nutzungen in der Straße. „Brauchen wir diese Nutzungen wirklich?“, fragte Michael Andre von der SPD-Fraktion. Er forderte, in der Straße solle „aufgeräumt“ werden. Dafür erhielt er gleich einen Rüffel von Bürger*innenmeister Michael Grunst (Linke) bezüglich der Wortwahl. Grunst ist auch Kulturstadtrat und würde diese in der Herzbergstraße gerne präsenter sehen, ebenso wie Kultursenator Klaus Lederer. Und das DXC sei jahrelang als Gewinn für den Bezirk gesehen worden.
„Wir haben über 10 000 Vietnamesinnen und Vietnamesen in Lichtenberg, und die werde ich nicht als Problem beschreiben wollen“, so Grunst. Trotzdem müsse man, zusammen mit dem DXC, Lösungen finden – und ja, es werde wohl weiterhin noch etwas an Zeit kosten. „Wir wollen die Menschen auffangen und integrieren, damit sie eben nicht in die Hände von Menschenhändlern und Schleuserringen geraten.“