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Obdachlosenlager hinter dem Ring-Center soll weg - "Aufräumaktion" der Deutschen Bahn

Veröffentlicht am 19.04.2021 von Robert Klages

Seit mehr als einem Jahr leben rund 20 obdachlose Menschen auf einen Gelände der Deutschen Bahn hinter dem Ring-Center an der Bezirksgrenze Lichtenberg zu Friedrichshain-Kreuzberg (Zuständig ist der Bezirk Xhain). Am heutigen Montag, 19. April, kam es dort zu einer „Aufräumaktion“, die zuvor als Räumung angekündigt war. Eine Kundgebung mit mehr als 50 Personen fand in der Möllendorffstraße statt.

Ich war heute Morgen auf dem Gelände. Doch bald wurde ich von der Deutschen Bahn und der Polizei zunächst des Geländes verwiesen. Es sei ein Privatgrundstück und man würde keine Pressevertreter*innen auf dem Gelände erlauben. Beamt*innen begleiteten mich zum Ausgang. Im Anschluss klärte Jörg Reichel von der Deutschen Journalist*innen-Union das mit der Pressestelle der Deutschen Bahn: Zusammen mit anderen Fotojournalisten durfte ich erneut auf das Gelände. Auch die Pressestelle der DB versicherte mir telefonisch, dass man die Aufräumaktion keinesfalls unter Ausschluss der Presse durchführen wolle und entschuldigte sich dafür, mich das Geländes verwiesen zu haben.

Erneut auf dem Gelände wurde ich von einem Baggerfahrer bedroht. Sollte ich ihn oder seine Kollegen bei der Arbeit fotografieren, würde er „richtig durchdrehen“, das wolle ich nicht erleben. Auch dafür entschuldigte sich im Nachhinein die Pressestelle der Bahn bei mir, es werde sofort an den Dienstleiter weitergegeben. Für mich ist das damit erledigt. Selbstverständlich fotografiere ich nicht einfach Personen, sondern frage vorher. Da es sich jedoch um keine geheime „Aufräumaktion“ handeln sollte, hätte ich gedacht, das Arbeiter vor Ort auf Fotografen eingestimmt worden seien. Hier nun jedenfalls meine fotografische Dokumentation.

Nach der „Räumung“ des Camps an der Rummelsburger Bucht im Februar war die Sorge groß, dass auch hier Eigentum zerstört würde. Beim Ring-Center sagten mir obdachlose Menschen sowie Sozialarbeiter*innen, das Eigentum der Personen sei von den Arbeitern nicht angerührt und tatsächlich sei lediglich Müll entsorgt worden. Erwin Juodickis, rechts im Bild, hat sich vor einem Jahr auf dem Areal niedergelassen. Er und sein Kumpane freuten sich, das mal aufgeräumt wird. Sie würden in Ruhe gelassen. Irgendwann sicherlich werden sie hier verschwinden müssen. „Wo ich dann hingehe, das weiß ich noch nicht, darüber mache ich mir noch keine Gedanken.“

Lutz Müller-Bohlen von der Sozialgenossenschaft Karuna e.V. war vor Ort: „Es kann nicht sein, dass wir uns von Räumung zu Räumung hangeln und keine langfristigen Lösungen entwickelt werden.“ Er hatte am Freitag mit der Bahn verhandelt und diese dazu bewegt, eine geplante Räumung des Geländes zunächst auszusetzen. Wohl bis Juni dürfen die Personen nun auf dem Gebiet bleiben, es sollen Gespräche geführt werden. Andere Obdachlose vor Ort, die nicht namentlich genannt oder fotografiert werden wollen, berichteten, dass an diesem Montag eigentlich alles bestens sei: Sie wurden von Sozialarbeiter*innen geweckt, aber nicht von Polizist*innen angesprochen oder gar des Geländes verwiesen. Ob andere Personen vertrieben oder durch das Spektakel vor Ort das Gelände verlassen haben, kann ich nicht sagen.

Am 31. März hatte die Bahn die Räumung für diesen Montag in einem öffentlichen Schreiben angekündigt. Nachdem ich dieses auf Twitter noch öffentlicher gemacht hatte und Karuna-Sozialarbeiter*innen sowie der Politiker Sebastian Schlüsselburg (Linke) sich der Sache annahmen, hatte die Bahn bereits am Wochenende mitgeteilt, die Räumung an diesem Montag nicht mehr durchführen und Gespräche über eine bessere Lösung zu führen zu wollen. Die Entwicklung und weitere Infos können hier auf tagesspiegel.de in meinen Artikel von Sonntagabend nachgelesen werden.

Laut Schlüsselburg sei ein „Safe Place“ für Obdachlose auf dem anliegenden Grundstück geplant, auf dem sich derzeit die Traglufthallte „Halleluja“ befindet, direkt neben dem Gebiet, auf dem die obdachlosen Personen leben. Die Halle wurde von der Stadtmission aufgestellt und das Gelände von dieser von der Bahn gepachtet. Die Halle wird, außer in diesem Jahr aufgrund der Pandemie, in den Kältemonaten für obdachlose Menschen geöffnet.

Die Idee eines „Safe Place“ in Berlin gibt es schon lange. Ein Ort, an dem obdachlose Menschen selbstverwaltet leben können. Eine Wiese gegenüber des Ring-Centers an der Frankfurter Allee im Bezirk Lichtenberg ist hierzu im Gespräch, wie der Tagesspiegel exklusiv berichtete. Hier gibt es ebenfalls noch keine Beschlüsse. Lichtenbergs Sozialstadtrat Kevin Hönicke (SPD) ist zunächst mit Anwohnenden im Gespräch.

Ein weiterer möglicher Ort für die Ansiedlung eines Safe Place ist ein Parkplatz am S-Bahnhof Lichtenberg. An diesem hatte die Bahn bereits im letzten Jahr eine Lagerstätte von obdachlosen Menschen räumen lassen.

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