Namen & Neues
Räumung des Obdachlosenlagers am Ring-Center erneut ausgesetzt – trotzdem findet Verdrängung statt
Veröffentlicht am 14.06.2021 von Robert Klages
Vor der Räumung ist nach der Räumung ist während der Räumung. Die Lagerstätten von bis zu 30 obdachlosen Menschen auf einen Gelände der Deutschen Bahn Netz AG hinter dem Ring-Center in der Frankfurter Allee sollen weg. Das hatte die DB für den heutigen Montag angekündigt. Darüber hatte ich letzte Woche im Newsletter ausführlich berichtet.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, zu dem das Gelände an der Grenze zu Lichtenberg zählt, ist in Verhandlungen mit der DB über einen „Safe Space“ für obdachlose Menschen, der auf dem Gelände eingerichtet werden könnte. Erste Entwürfe, hier zu sehen, entsprechen nicht ganz den Vorstellungen der Leute, die derzeit auf der Brache leben. Ihre Kritik und eigenen Entwürfe gibt es ebenfalls hier nachzulesen.
Ob der „Safe Place“ überhaupt kommt, ist noch unklar, Bezirk und Bahn verhandeln schon sehr lange darüber. Die aktuelle Frage ist, was aus den Menschen wird, die derzeit dort leben. Sie sind permanent von Räumungen bedroht: Die Bahn möchte sie vom Gelände haben, unabhängig, ob ein „Safe Place“ kommt oder nicht. Auf dem Gelände befindet sich eine riesige Traglufthalle, die „Halleluja“ – aufgestellt um obdachlose Menschen zu beherbergen. Im Winter wurde sie nach einem Coronafall geschlossen und anschließend nicht wieder geöffnet. Sie ist eigentlich nur für die Kältehilfesaison vorgesehen.
Was ich äußerst skurril finde und nicht verstehen kann: Es gibt da also diesen Ort mit einer riesigen Traglufthalle, die dafür gedacht ist, obdachlose Menschen zu herbergen. Doch die Halle steht leer, wird nicht verwendet und Obdachlose errichten sich Hütten in der Nähe der Halle. Die Obdachlosen sollen runter vom Gelände, können aber auch nicht in die Halle. Immerhin wurde wohl fünf Personen das Angebot gemacht, ihre Wagen auf das Gelände der Halle zu stellen. Dort wären sie vor Räumungen sicher, weil die DB das Gelände an die Stadtmission vermietet hat.
Im April, als das Areal bereits das zweite Mal geräumt werden sollte, sah es dort übrigens so aus, wie hier in meinen Bericht zu sehen. Einige Lagerstätten sind heute weg, dafür siedeln sich auf dem hinteren Teil des Geländes immer mehr Menschen aus Bulgarien oder Rumänien an, mit Autos oder Wohnwagen. Sozialarbeiter*innen schätzen, dass es sich insgesamt um rund 30 Personen handelt.
Unabhängig davon, ob es überhaupt zu einer Räumung kommt: Viele der Bewohner*innen haben das Gelände nach der Räumungsankündigung verlassen, aus Angst. Oder weil ihnen Polizist*innen gesagt haben, dass sie gehen sollen. Am Freitag sah es vor Ort so aus, etwas leerer als noch im April. Räumungen finden also bereits vor den angekündigten Räumungsterminen statt und bestehen auch darin, immer wieder Räumungstermine zu nennen, damit die Leute das Gelände verlassen. Polizist*innen drohen permanent mit den Räumungsterminen und deren Durchsetzung.
Auch die Versprechen des Bezirks und von Sozialarbeiter*innen, dass diejenigen, die kooperieren, einen Platz in einem (noch nicht beschlossenen) „Safe Place“ bekommen oder sonst wie vor der Räumung geschützt werden könnten, können als aktiver Teil einer Räumungsaktion verstanden werden. Was vermieden werden soll sind Bilder von Polizist*innen, die Gewalt anwenden – damit man am Ende sagen kann, es sei nicht geräumt worden.
Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) hatte für den heutigen Montag, 14. Juni, einen „Umzug“ angekündigt, keine Räumung. Damit waren die fünf obdachlosen Menschen gemeint, die wohl bald mit ihren Wagen an der Traglufthalle stehen dürfen (und dort auch Strom und Wasser haben).
Es fand dann am Montagmorgen kein „Umzug“ statt. Rund 40 Personen nahmen an einer Kundgebung gegen die Räumung teil, die Protestveranstaltung wurde gegen 10 Uhr morgens für beendet erklärt, da sich keine Räumung andeutete. Stand: Montag, 14. Juni, 12 Uhr.
Bereits am Freitag, 11. Juni, hatte eine Protestkundgebung vor dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg stattgefunden, die so aussah. Einige Bewohner*innen des Gelände kamen zu Wort. „Wir lassen die Räumung auf uns zu kommen“, sagte einer von ihnen. Sie hätten keinen Plan, was danach aus ihnen werde. Zu den „Safe Spaces“ sagte er: „Das könnten gute Projekte sein, mal sehen. Es müssten halt viele Leute darin Platz finden können.“ Die bisherigen Pläne der Stadt allerdings sind lediglich für unter zehn wohnungslose Personen vorgesehen, es sollen Vorzeigeprojekte werden.
Veranstalterin der Kundgebung war die Wagengruppe „DieselA“. Eine Rednerin sagt: „Es ist Aufgabe des Bezirksamts etwas gegen Räumungen zu unternehmen, deswegen sind wir heute hier.“ Monika Herrmann (Grüne), Bürger*innenmeisterin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, hatte sich nicht blicken lassen.