Namen & Neues

"Die Partei ist auf dem Weg zu einer linksidentitären Bewegung": Linkspolitiker Roman Grabowski tritt aus

Veröffentlicht am 23.05.2022 von Robert Klages

Fast acht Jahre lang war Roman Grabowski Mitglied der Linkspartei in Berlin. In der Lichtenberger Linksfraktion war er Verordneter, rückte vor zwei Jahren aus einem Listenplatz nach. Der 36-Jährige war Arbeits- und beschäftigungspolitischer Sprecher und seit 2014 in diversen Jugendgruppen des Bezirksverbands aktiv. Anfang Mai ist er ausgetreten.

„Die Partei ist auf dem Weg zu einer linksidentitären Bewegung“, schreibt der Verordnete Roman Grabowski in einem langen und intensiven Statement. Auf Nachfrage sagte mir Grabowski, er wolle sein Mandat für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) als fraktionsloser Verordneter weiterführen. Den Wechsel zu einer anderen Fraktion wolle er aber nicht ausschließen. Lediglich zu einer Partei führe sein Weg zu 100 Prozent nicht: der AfD.

Die Linkspartei würde Arbeitslosigkeit „verklären“, schreibt Grabowski. Sie würde immer höhere Leistungen für Erwerbslose fordern, aber den Empfänger:innen keine Pflichten auferlegen. Zudem stelle sich die Linke „schützend vor Straftäter und organisierte Kriminalität, sobald diese einen Migrationshintergrund haben“. Die Partei würde sich auch nicht von „linksextremistischer Gewalt“ abgrenzen.

Grabowski scheint mit der Forderung nach „Offenen Grenzen für alle“ nicht einverstanden zu sein. Jedenfalls nennt er es eine „irrsinnige Forderung“. Eine „vernünftige Position“ stellt für ihn eine regulierte Einwanderung mit Schwerpunkt auf Hilfe vor Ort dar. In der Integrationspolitik würde die Linke „immer abstrusere Ideen“ fordern wie „Migrantenquoten“. Die Linke würde gar die Abschaffung des Konzepts der Integration vorantreiben.

Dem in St. Petersburg (Russland) geborenen Grabowski missfällt die Russland-Politik der Linken. Die Partei ist ihm zu nah an einer Rechtfertigung der imperialistischen Politik des autoritären Putin-Russlands. Er spricht von „Unterwerfungspazifismus angesichts Russlands verbrecherischen Angriffskrieges gegen die Ukraine“.

Antonio Leonhardt von den Lichtenberger Linken schrieb auf Twitter, er sei persönlich und politisch enttäuscht von Grabowski. Er habe nach nur fünf Monaten in der Bezirkspolitik aufgegeben und sein Statement befasse sich nicht mit Kommunalpolitik.

Zu welcher Fraktion zieht es Grabowski? Er wünscht sich „eine klassische (links)sozialdemokratische Politik“. Geht sein Weg also in die SPD? Wenn dem so wäre, würde dies für die Bezirksverordnetenversammlung in Lichtenberg eine Umgewichtung bedeuten. Denn wenn die SPD einen Verordneten mehr hätte, würde sie (und nicht mehr die AfD) den letzten Stadtrat stellen. Bisher stellt die AfD mit Frank Elischewski einen Stadtrat zur Wahl, der jedoch in den bisherigen Wahlen von den anderen Fraktionen (Linke, SPD, CDU, Grüne, FDP und Tierschutzpartei) gemeinschaftlich abgelehnt wird. Deswegen bleibt seit mehr als einem Jahr ein Stadtratsposten in Lichtenberg unbesetzt.

Sollte die SPD den Stadtratsposten besetzen dürfen, wäre sie die einzige Partei mit zwei Stadträt:innen (Kevin Hönicke ist Baustadtrat und Stellvertretender Bürger:innenmeister). Die Linke stellt neben Camilla Schuler (Stadträtin für Familie, Jugend und Gesundheit) mit Michael Grunst den Bürger:innenmeister. Hier das Bezirksamt im Überblick. Mit zwei Stimmen im Bezirksamt hätte die SPD dort also genauso viele Stimmen wie die Linke, was bei Abstimmungen und bezirklichen Entscheidungen einen bedeutenden Unterschied machen und die Dominanz der Linken erheblich beeinträchtigen würde. Meine Informant:innen berichten, dass die Linke einen zweiten Stadtratsposten für die SPD verhindern möchte.