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Klima-Volksentscheid gescheitert - Reaktionen aus Lichtenberg
Veröffentlicht am 27.03.2023 von Robert Klages
Zwar stimmte eine knappe Mehrheit für schärfere Klimaschutzregeln per Gesetz, doch das reichte nicht für das Quorum aus. Die Marke von 25 Prozent der Wahlberechtigten, die für die Annahme des Volksentscheids mit Ja hätten stimmen müssen, wurde deutlich verfehlt.
Die Wahlbeteiligung war mit 35,8 Prozent zwar ausreichend hoch, doch Ja- und Nein-Stimmen lagen fast gleichauf. Für schärfere Klimaschutzregeln stimmten 50,9 Prozent der Wähler:innen, 48,7 Prozent lehnten die Gesetzesvorgaben ab.
Das Quorum für den Volksentscheid lag bei 607.518 Wähler:innen: Diese Hürde an Ja-Stimmen sowie eine Mehrheit der Stimmen wäre für die Annahme des Gesetzes nötig gewesen, das das Land Berlin zur Klimaneutralität bis 2030 verpflichten sollte. 866.484 Wahlberechtigte gaben eine gültige Stimme ab, 442.210 stimmten mit Ja, 423.418 mit Nein. Das heißt, insgesamt 165.308 Ja-Stimmen fehlten für einen erfolgreichen Volksentscheid.
Sechs Berliner Bezirke stimmten mehrheitlich gegen den Volksentscheid: (Reinickendorf, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick, Steglitz-Zehlendorf und Spandau), die anderen sechs (Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg, Pankow) stimmten dafür.
In Lichtenberg stimmten 33 965 Personen mit Nein. 29 171 mit Ja, wie Stadtrat Kevin Hönicke (SPD) twitterte.
Die Reaktionen:
- Hönicke: „Dass der Volksentscheid abgelehnt wurde, liegt meiner Meinung vor allem daran, dass die Umsetzung nicht als realistisch eingeschätzt wurde! Natürlich haben wir als Politik aber den Auftrag, klimabewusster vorzugehen und den Klimaschutz voranzutreiben. So sehe ich es zumindest.“
- Tamara Lüdke (Abgeordnete SPD und Co-Vorsitzende Kreisverband Lichtenberg): „Der Volksentscheid hat gezeigt, wie herausfordernd es ist, geeignete Maßnahmen für notwendige Klimaziele und soziale Absicherung nicht gegeneinander auszuspielen. Klar hab ich Sorgen, dass eine hohe Ablehnung solcher Ziele die Zukunft von mir und noch jüngeren Generationen aufs Spiel setzt. Gleichzeitig scheinen mindestens genauso viele schon heute Angst davor zu haben, dass wir nicht genug zur Überwindung der aktuellen Krisen bereitstellen. Auch wenn das Quorum nicht erreicht wurde, darf Klimaschutz jetzt nicht in der Agenda nach unten gestuft werden.“
- Hendrikje Klein (Linken-Abgeordnete, Wahlkreis Lichtenberg): „Das Lichtenberger Ergebnis, mit mehr Nein- als Ja-Stimmen überrascht mich wenig. Schon im Wahlkampf war eine solche Einstellung bei vielen Menschen zu spüren. Die unglaublich knappe Zeitschiene bis 2030 war angesichts dessen, was in diesen wenigen Jahren passieren sollte, vielen zu ambitioniert, ganz abgesehen davon, dass nie gesagt wurde, was das kosten würde und wer das bezahlen sollte. Maßnahmen zum Klimaschutz müssen sozial sein, sonst zerbricht die Gesellschaft auch bei diesem Thema. Offenbar gewannen viele Menschen in Lichtenberg auch den Eindruck, dass andere, für sie mindestens genauso wichtige Dinge, keine Berücksichtigung mehr finden würden und die finanziellen Lasten vor allem von wenig privilegierten Menschen zu tragen sind. Wer echten Klimaschutz will, muss diese Sorgen ernst nehmen und für sozialen Ausgleich sorgen. Mit diesem Anspruch sind wir auch in den Sondierungsgesprächen nach der Wiederholungswahl angetreten, als wir als erste Partei ein entsprechendes Sondervermögen im Landeshaushalt vorgeschlagen hatten. Auch wenn das Quorum verfehlt wurde: die Aufgaben bleiben, auch weil es zuerst Menschen mit wenig Geld sind, die unter den Folgen des Klimawandels leiden.“
- Danny Freymark (CDU-Abgeordneter aus Hohenschönhausen): „Das Votum macht deutlich, dass viele Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt mehr Klimaschutz wünschen. Zugleich haben die unrealistischen Ziele der Volksinitiative keine Mehrheit gefunden. Das ist gut so. Trotzdem wird es unser politischer Auftrag sein, die Klimaneutralität deutlich vor dem Jahr 2045 zu realisieren.“
- Antonio Leonhardt (Sprecher für Stadtentwicklung und Umwelt bei der Lichtenberger Linksfraktion): „Dem Klimavolksentscheid ist es nicht gelungen, breite Bevölkerungsschichten vom Projekt zu überzeugen. Unterstützung in den hippen, urbanen Milieus der Innenstadt reicht nicht für berlinweite Zustimmung. Außerhalb des S-Bahn-Rings war die Kampagne leider kaum präsent.“
- Filiz Keküllüoğlu (Grüne Stadträtin): „Auch, wenn der Volksentscheid Berlin Klimaneutral 2030 die Zahl an erforderlichen Ja-Stimmen verfehlt hat, hat die Initiative die Debatte über die Notwendigkeit, klimaneutral zu werden, deutlich gefördert. Und das, gegen massiven Widerstand. Dieses zivilgesellschaftliche Engagement verdient mindestens Hochachtung. Es ist sehr bedauerlich, dass der Volksentscheid nicht auf den Tag der Wiederholungswahl gelegt wurde. Dies hatte mit Sicherheit Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung – und die war heute mit entscheidend. Nichtsdestotrotz stecken wir mitten in der Klimakrise und ich erwarte vom neuen Senat, dass er alles daran setzt, um dem Ziel „klimaneutral“ schneller näher zu kommen. Ein gemächliches Tempo oder gar ein Ausbremsen beim Kampf gegen die Klimakrise wären fatal und zeugten von einer Gleichgültigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen. Es muss weitergehen mit der Energiewende. So muss auch der Verkehrssektor seinen Beitrag leisten, indem u.a. das Mobilitätsgesetz weiter umgesetzt wird. Ob der Senat es ernst meint mit dem Klimaschutz, werden wir schnell an den für die Mobilitätswende und den Ausbau des ÖPNV zur Verfügung gestellten Finanzmittel feststellen. Für Lichtenberg bedeutet dies, dass der ÖPNV ausgebaut und die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, um die zu Fuß und mit dem Fahrrad zurückgelegten Strecken sicherer und barriereärmer machen zu können. In diesem Zusammenhang brauchen wir dringend eine Personaloffensive jetzt – sprich mehr Ausbildungsplätze sowie zusätzliche Stellen für Planung und Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen des Berliner Klimaschutz- und Energiewende- und Mobilitätsgesetzes.“
- Reaktionen für ganz Berlin und wie es nun weitergeht, lesen Sie hier im Newsblog des Tagesspiegels zum Klimaentscheid.