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Geflüchtetenunterkünfte in Hohenschönhausen: Wie die umstrittene Entscheidung zustande kam - und wie der Bezirk damit umgeht

Veröffentlicht am 22.04.2024 von Dominik Lenze

Drei neue Unterkünfte für Geflüchtete sollen in Hohenschönhausen entstehen (T+). Die Entscheidung ist hochumstritten, da der Ortsteil ohnehin schon vor zahlreichen Herausforderungen steht und die soziale Infrastruktur dort nicht erst seit gestern ausbaufähig ist. Die Pläne des Senats waren auch Thema in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am vergangenen Donnerstag (18.4.). Man werde die Senatsentscheidung „mit Respekt entgegennehmen müssen“, auch wenn er selbst sie für falsch halte, sagte Bezirksbürgermeister Michael Schaefer (CDU).

Wenn der Senat seine Pläne umsetzt, wird es elf Geflüchtetenunterkünfte in Hohenschönhausen geben. „Das gibt es sonst nirgends in dieser Stadt“, so Schaefer. Norman Wolf, Fraktionsvorsitzender des Wagenknecht-Bündnisses (BWS), wies darauf hin, dass Kita- und Schulplätze rar gesät seien und auch die ärztliche Versorgung im Ortsteil jetzt schon problematisch sei. Zudem lebe bereits jetzt jedes zweite Kind in Hohenschönhausen in einer Bedarfsgemeinschaft. „Es ist nicht besonders schlau, ausgerechnet hier Unterkünfte zu errichten“, so Wolf. CDU-Fraktionschef Benjamin Hudler äußerte in der BVV die Sorge, dass Integration in Hohenschönhausen unter diesen Voraussetzungen nicht gelingen könne. Verordnete von SPD, Grünen und Linken zeigen da mehr Optimismus – so wirklich begeistert von der Standortauswahl des Senats scheint aber niemand zu sein.

Wie kam diese Entscheidung also zustande? „Wir suchen zunächst nach Flächen, die bebaubar und in Landeshand sind“, erklärte mir eine Sprecherin des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). Bebaubar bedeutet: Ist es technisch überhaupt möglich, hier eine Einrichtung für mehrere hundert Menschen aufzubauen, gibt es Anschlüsse für Wasser, Strom etc.? Das sind die Grundvoraussetzungen – und so viele Grundstücke, die diese erfüllen, gibt es in Berlin offenbar nicht. „Und diejenigen Grundstücke, die die Bedingungen erfüllen, liegen zumeist in den Randbezirken“, so die LAF-Sprecherin.

2023 hat das Land Berlin 16.762 Asylsuchende aufgenommen, darüber hinaus wurden 15.144 Geflüchtete aus der Ukraine erfasst und erstversorgt, teilte das LAF im Januar mit. Damit ist die Zahl der Asylsuchenden im Vergleich zum Vorjahr erneut angestiegen. Die Frage nach geeigneten Orten für Unterkünfte stellt sich somit dringlicher als noch vor einigen Jahren.

Deshalb, und aufgrund der Herausforderungen bei der Grundstückssuche, könne die soziale Lage eines Ortsteils nur ein nachrangiger Faktor sein, erklärte die LAF-Sprecherin. „Wir liefern mit unseren Unterkünften aber auch soziale Infrastruktur mit“, betont die Sprecherin. Auch sei man selbstverständlich offen dafür, mit dem Bezirk und lokalen Initiativen vor Ort eng zusammenzuarbeiten.

Die Spitzen des Bezirksamts scheinen sich noch uneins zu sein, wie man mit der Senatsentscheidung umgehen will. „Verantwortungsvolle Politik vor Ort erfordert, in die Kommunikation mit Anwohner:innen zu gehen, für Akzeptanz zu werben, unsere neuen Anwohner:innen willkommen zu heißen und hart für Teilhabe zu arbeiten“, schreibt Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne) auf X, vormals Twitter. Gemeinsam mit Bezirksstadtrat Kevin Hönicke (SPD) sei sie bereits in Gesprächen mit dem Koordinator für Flüchtlingsangelegenheiten Albrecht Broemme.

Bezirksbürgermeister Schaefer scheint noch zu hoffen, dass sich die Menschen anderswo in Berlin unterbringen lassen: „Sinnvoll wären Überlegungen, ob bestehende Standorte weitere Kapazitäten schaffen könnten“, teilt er auf meine Anfrage hin mit. Nötig sei eine Verteilung auf die gesamte Stadt und zugleich ein Ausbau des Tempelhofer Feldes. Zumindest für Letzteres hat das Berliner Abgeordnetenhaus vergangene Woche den Weg frei gemacht (T+).

  • Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf. So viel dürfte klar sein. Aber  ausgerechnet in Hohenschönhausen? Ich zumindest kann das Unverständnis nachvollziehen. Bloß: Was will man machen, wenn passende Grundstücke so rar sind? Ich finde: Man sollte es zum Anlass nehmen, um in die soziale Infrastruktur in Hohenschönhausen und ähnlichen Ortsteilen zu investieren. Das ist sowieso längst überfällig. Was denken Sie zu der Debatte? Schreiben Sie mir gern!