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Geflüchtetenunterkünfte in Hohenschönhausen: So lief die Sondersitzung des Bezirksparlaments ab
Veröffentlicht am 30.09.2024 von Dominik Lenze
Sogar Beatrix von Storch (AfD) ist erschienen. Im Foyer der Max-Taut-Aula filmt ein Team eines rechtsextremen Senders aus Österreich. Und vor dem Gebäude demonstrieren über hundert Antifaschist:innen. Anlass war eine Sondersitzung der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung auf Antrag der AfD-Fraktion. Thema der Sitzung: die Pläne zur Unterbringung von Geflüchteten in Hohenschönhausen.
Zwei neue Geflüchtetenunterkünfte sollen 2025 in Neu-Hohenschönhausen entstehen, Containeranlagen für insgesamt 660 Menschen. Weitere 1200 Menschen sollen im früheren City-Hotel East an der Landsberger Allee untergebracht werden, im Süden von Alt-Hohenschönhausen. Die Pläne sind umstritten, weil die soziale Infrastruktur dort seit Jahren überlastet ist, es mangelt an Schulplätzen und Ärzten. Selbst Menschen, die sich vor Ort für Geflüchtete engagieren, halten den Standort nicht für ideal.
Doch die Pläne sind auf Senatsebene beschlossen und können vom Bezirk nicht geändert werden. So stellte auch die AfD keine Beschlussvorschläge, über die man in der von der Fraktion eigens anberaumten Sitzung hätte abstimmen können. Eine große Anfrage an das Bezirksamt steuerte die Fraktion vom „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) bei.
Fakt ist: Besonders in Neu-Hohenschönhausen ist die Lage prekär. Es gibt nur zwei Kinderärzte, die Rettungsstelle im Sana-Klinikum ist oft überlastet, weil Hilfesuchende dorthin ausweichen. Der Nahverkehr ist schlecht und wird schlechter – eine S-Bahn-Linie in die Innenstadt wurde erst vor einigen Monaten verkürzt. Keines der Probleme ist neu: Schon 2017 stellte eine Studie im Auftrag der Bezirksämter Lichtenberg und Neukölln ärztliche Versorgungsprobleme im Ortsteil fest.
Nach Angaben des Bezirksamts fehlen aktuell rund 1000 Schulplätze in Neu-Hohenschönhausen. In Alt-Hohenschönhausen beim City-Hotel East fehlen den Angaben zufolge rund 200 Schulplätze. Der Bezirk geht davon aus, dass etwa 30 Prozent der zu erwartenden Bewohner:innen in allen diskutierten Geflüchtetenunterkünften Kinder im schulpflichtigen Alter sein werden, wie aus der Antwort auf die BSW-Anfrage hervorgeht.
Verordnete verschiedener Fraktionen wollen die Situation zum Anlass nehmen, für Investitionen in den Stadtteil zu werben: „Hohenschönhausen könnte jetzt stark gemacht werden und die Infrastruktur bekommen, die es seit Jahren schon braucht“, sagte der Grünen-Verordnete Phillip Ahrens.
Ihm sei „kein einziges großes Infrastrukturprojekt bekannt“, das die vernachlässigte Region endlich aufbessern würde, kritisierte Linken-Fraktionschef Christian Petermann. CDU-Fraktionschef Benjamin Hudler betonte, man könne nicht entscheiden, ob Menschen kommen oder nicht. Aber man könne sich dafür einsetzen, Schulplätze und Beratungsangebote schaffen.
Beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) weiß man, dass Hohenschönhausen kein idealer Standort ist. Doch man habe keine Wahl: Es sei schwierig genug, bebaubare Flächen in Landeshand zu finden, auf denen man mehrere hundert Menschen unterbringen kann. Die finden sich nun einmal eher in den Randbezirken, vor allem im Osten, erklärte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Ein weiterer Umstand: Die „Klagefreudigkeit“, wie sich eine Mitarbeiterin ausdrückte, sei in ökonomisch besser gestellten West-Bezirken größer, wo es auch Freiflächen gibt.
Als ein Hotelbesitzer gleich drei Hochhäuser an der Landsberger Allee zur Miete als Flüchtlingsheim anbot, konnte die Stadt kaum ablehnen. Ab November sollen im City Hotel East schrittweise weitere 1200 Geflüchtete einziehen. Einen Träger für das Projekt gibt es nach aktuellem Stand allerdings erst ab 2025. Wer sich bis dahin um die Menschen kümmern soll, ist bislang unklar.
Der Mangel an Schulplätzen und Ärzten, Nahverkehr oder sozialer Infrastruktur spielten in den AfD-Beiträgen nur am Rande eine Rolle: Man wolle keine „Flüchtlinge des rot-grünen Innenstadtrings“, sagte der Verordnete Heribert Eisenhardt. Schon Ende August rief er auf einer Kundgebung in Hohenschönhausen dazu auf, Bürgerinitiativen gegen die Unterkünfte zu gründen. Zur BVV am Donnerstagabend erschien zudem ein Team des AfD-nahen rechtsextremen Senders AUF1. Den „Reporter“ mimte ein Neonazi aus dem Umfeld des „Dritten Weg“.
Für die AfD dürfte es strategisch sinnvoll sein, das Thema weiter zur Stimmungsmache zu nutzen: Nach aktuellem Stand sollen die ersten Geflüchteten im dritten Quartal 2025 in Neu-Hohenschönhausen einziehen – passend zur Berlin-Wahl.
- Nicht nur in Hohenschönhausen fehlen Ärzte: Ganz Lichtenberg hat nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nur einen Versorgungsgrad an Hausärzten von rund 87 Prozent. Zum Vergleich: In Charlottenburg-Wilmersdorf lag er bei fast 127 Prozent. Mehr dazu erfahren Sie hier.