Kiezgespräch
Veröffentlicht am 19.11.2018 von Robert Klages
AfD fordert „Rassismus gegen Deutsche“ zu bekämpfen. Dass Heribert Eisenhardt von der AfD-Fraktion Leser dieses Newsletters ist, ist mit bekannt und freut mich. Er nimmt daraus auch öfter mal was mit. Am Donnerstag während der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zitierte er aus „dieser Email, die jeden Montag kommt“. Mit meinen Intro über Rassismus der letzten Woche hatte er so seine Probleme. Er wetterte gegen Spiegel-Autorin Margarete Stokowski, die ich im Intro zitiert hatte. Was wäre, wenn diese ein Kind hätte, welches wegen ihrer deutschen Ethnie gemobbt werden würde? „Stokowski-ähnliche Mütter“ würden da eher einen Stuhlkreis bilden … es wurde doch sehr beleidigend und schlicht fiktiv.
Die AfD fordert in einem Antrag, „Rassismus gegen die ethnische Mehrheit der Deutschen“ zu bekämpfen. Rassismus gegen Minderheiten könnte „einfach mit einer Anzeige bekämpft werden“ (Ja, ist es so einfach? Anzeige raus, Rassismus weg?). Rassismus gegen Deutsche hingegen sei straffrei. Das Bezirksamt solle sich gegen „jede Form von Rassismus“ stellen. Begründung: Öffentlich geförderte Veranstaltungen wie die Fête de la Musique oder Konzerte gegen rechts seien dazu genutzt worden, Texte wie z. B. „Deutschland muss sterben“ straffrei musikalisch zu verbreiten. Der Antrag wurde jedoch von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Minderheiten, nicht Mehrheiten, bedürften eines besonderen Schutzes, so zum Beispiel eine Begründung. Während die AfD redete, verließen einige Verordnete und auch Teile des Publikums den Saal.
„Man Heribert, sei nicht so eine Kartoffel“, hörte ich es von links aus dem Publikumsbereich kichern. Aber hey, das ist ein ernstes Thema: das K-Wort möchte ich bitte nie wieder hören! Meine Kollegin Cigdem Toprak verwendet das Wort nicht mehr und hat einen Gastbeitrag darüber verfasst. Für mich war es immer eine Beschreibung für Leute, die absichtlich oder unabsichtlich unbeholfen rassistisch sind oder sich so verhalten. Zurück zur Diskussion in der BVV: Kevin Hönicke, Fraktionsvorsitzender der SPD, meinte, die AfD-Fraktion sei voll von Rassisten, das müsse man klar so sagen. Gregor Hoffmann, CDU-Fraktionsvorsitzender meinte: „Wir müssen uns einfach alle mehr lieb haben.“
Die AfD nannte auch härtere Fälle, in denen zum Beispiel deutsche Frauen als „Hunderasse“ beschimpft worden seien. (Wenn das stimmt, ist es zu verurteilen – wie alle verbalen Attacken, Beleidigungen und Volksverhetzungen, die im Laufe eines Tages in dieser Welt so geäußert werden.) Nach seiner Rede über Hass gegen Deutsche kam der AfD-Fraktionsvorsitzende Dietmar Drewes zu mir an den Pressetisch und sagte, schwer atmend und im aggressiven Tonfall, wenn ich ihn nun zitieren sollte, dann aber bitte wörtlich. Ich hatte vorher noch nie mit ihm gesprochen und er sagte auch nur diesen einen Satz und ging schnell wieder weg. Er möchte nicht, dass ich ihn paraphrasiere, nehme ich mal an. Da muss man sagen, ist schon irre, so ein Versuch der Einschüchterung und des Eingriffs in die Pressefreiheit.
In einem anderen Antrag fordert die CDU, die Werteordnung des Grundgesetzes in Flüchtlingsunterkünften zu vermitteln. Der Antrag wurde von allen Fraktionen für gut befunden und in den Ausschuss für Integration und Haushalt überwiesen. Ziel der Arbeitsgruppe soll es sein, „operativ und offensiv“ zu vermitteln, dass die Ordnungsbehörden „Freund“ und nicht „Feind“ sind. Ich kann mir nicht helfen, aber ich stelle mit eine Hundertschaft vor, die in eine Wohneinheit für Geflüchtete stürmt und die Bewohner*innen „belehrt“: „FREUND! NICHT FEIND! HAST DU DAS VERSTANDEN!! LOS, ÜBERSETZ DAS FÜR DIE ANDEREN!“ Dann noch leicht einen mit dem Sturmgewehr gegen die Schläfe und der Flüchti hat es verstanden, Auftrag ausgeführt.
Denn das ist deutsche Leitkultur: Wenn der Deutsche sagt, es gibt keinen Rassismus in Deutschland, dann hat es den auch nicht zu geben. Außer den Rassismus gegen Deutsche. Und wenn der Polizist sagt, er sei ein Freund und kein Feind, dann ist er ein Freund und wer das Gegenteil behauptet ist ein Feind. Nun werde ich beleidigend und fiktiv? Hoffentlich ja. Aber es ist teilweise nah dran: Stichwort Wasserkocher.
Mal ehrlich, ich finde es schon nicht gut mit den Narrativen von „Freund“ und „Feind“ da ranzugehen. Da steckt ja schon ein Vorwurf drin. AfD-Drewes sagte zu dem CDU-Antrag übrigens, dieser entspreche den Vorstellungen seiner Fraktion. „Hätten wir ihn eingebracht, wären wir als Rassisten beschimpft worden.“ Und ja, der CDU-Antrag hat so ein Geschmäckle: Wir, die das mit dem Recht und der Ordnung alles super verstehen, erläutern denen, die das nicht verstehen, wie sie das zu verstehen haben. Über Polizeigewalt wird sicherlich nicht diskutiert werden, doch genau das wäre ebenso nötig wie über Aggressivität gegen Beamt*innen zu reden.
Trotzdem kann so eine Initiative ja etwas Positives haben. Wenn Geflüchtete und Polizei ins Gespräch kommen. Man muss sich näher kommen, es wird Zeit. Gespräche auf Augenhöhe wären angebracht. Die Geflüchteten haben oftmals viel zu erzählen, da muss man auch zuhören können. Viele von ihnen haben nämlich gedacht, sie seien in einen Rechtsstaat geflüchtet – und haben dann erfahren, dass dieser voll ist von Rassismus, Ungerechtigkeit und Hass. Sie müssen sich täglich mit einer Abschiebebürokratie auseinandersetzen, deren Gerechtigkeit ihnen nicht mal ihre Anwälte glaubhaft versichern können. Polizist*innen wiederum haben ja auch sicherlich einiges zu erzählen, über alltägliche Angriffe, Beleidigungen und vieles mehr.
Und hier, immer diese Bilder, ich kann mir nicht helfen. Einmal noch zum Abschluss beleidigend und fiktiv: „Was, dich haben sie scheiß Ausländer genannt. Oh Mann. Ich kenn das. Mich haben sie letztens Kartoffel genannt. Kannste dir vorstellen: Kartoffel.“ Polizist beginnt zu schluchzen, Geflüchteter weiß nicht so recht, legt ihm die Hand auf die Schulter: „Walla. Ich fühle mit Ihnen, Bruda.“