Kiezgespräch
Veröffentlicht am 10.07.2023 von Robert Klages
Der Vorplatz des S-Bahnhofs Lichtenberg heißt ab sofort „Eugeniu-Botnari-Platz“. Über die seit Jahren anhaltende politische Diskussion diesbezüglich bis zum Beschluss hatten wir hier im Newsletter immer wieder ausgiebig berichtet. Die „Boulevardpresse“ berichtet über sowas erst, wenn es im offiziellen Amtsblatt steht. Die B.Z. titelte letzte Woche mit einem Foto von Botnari und schrieb: „Berliner Platz nach totem Ladendieb benannt“.
In Anbetracht dessen, dass Botnari Opfer von systematischem Rassismus wurde, ist diese Schlagzeile mehr als nur ein Schlag ins Gesicht von Angehörigen. Das ist in etwa so, als würde die Redaktion auf sein Grab urinieren, den Verbliebenen ins Gesicht spucken und anschließend Sieg Heil rufen. Obwohl es noch schlimmer als das ist, nämlich öffentlich. Den Presserat oder sonstige Organe interessiert das bisher nicht. Immerhin Stefan Niggemeier hat auf übermedien.com eine sehr gute Zusammenfassung der Berichterstattung geliefert.
In ihrem Artikel betreibt die B.Z. anschließend Hetze gegen die Benennung und erwähnt, dass dagegen Widerspruch möglich ist. Der Artikel wird auch sogleich von rechten Medien aufgegriffen, das ist natürlich ein gefundenes Fressen.
Auch die Fach- und Netzwerkstelle „Licht-Blicke“ in Lichtenberg spricht von einer „im höchstem Maße rassistischen und sozialchauvinistischen Darstellung“. „Der Artikel benennt die Motivation des Täters nicht, die vor Gericht als eindeutig rassistisch und menschenverachtend benannt wurde. Eugeniu Botnari wird in dem Artikel zum Opfer zweiter Klasse, indem er auf seine Herkunft reduziert und als Ladendieb dargestellt wird.“
Ja, selbst wenn er eine Flasche Schnaps geklaut hätte – wobei dies, im Gegensatz zum rechten und menschenverachtenden Tatmotiv des Täters, niemals vor Gericht belegt werden konnte. Wir wissen nicht, ob Botnari geklaut hat oder klauen wollte. Es gilt es wahrscheinlich, beruht aber lediglich auf Aussagen des Mannes, der ihn verprügelt hat. Er hatte Hausverbot in dem Edeka-Markt, aber ob auch dies nicht einfach nur aufgrund von Rassismus ausgesprochen wurde, ist nicht belegt. Er war mutmaßlich Alkoholiker und obdachlos, aber in erster Linie wurde er Opfer einer brutalen, rechten Gewalttat. Der Täter, der Filialleiter, hat sich seine Opfer ausgesucht und die mutmaßlichen Vergehen genutzt, um diese auf übelste Weise und mit Sandhandschuhen zu verprügeln. Er hat seine Taten später in WhatsApp-Gruppen geschickt und rechte Äußerungen obendrauf gesetzt.
Der „Eugeniu Botnari-Platz“ ist ein Ort in Berlin, der stark geprägt ist durch Obdachlosigkeit, ein Trinkermilieu und vieles mehr. Hier wurde nicht nur Botnari Opfer von Rassismus und Diskriminierung, sondern zahlreiche Menschen, die hier Alltagsrassismus und Beschimpfungen ebenso ausgesetzt sind wie Beleidigungen. Passant:innen schütten ihren Hass auf die, die dort liegen, lungern, betteln. Ich habe das in den letzten Jahren immer wieder beobachtet und verfolgt, die Diskussionen wurden auch hier im Newsletter geführt. In den nächsten Jahren wird der Platz aufgewertet und verändert; das ist richtig so – denn wenn es keinen Botnari Platz gibt, würde sich bald niemand mehr an ihn erinnern.
Botnari hat eine Würdigung erhalten, die ihm zu Lebzeiten stets verwehrt wurde. Ich habe mit Angehörigen ebenso gesprochen wie mit Leuten, die ihn kannten, mit Sozialarbeiter:innen und Weggefährten. Er war mehr als nur ein Ladendieb (wenn überhaupt), das kann ich mit Sicherheit sagen. Fest steht auch, dass der Vorplatz vor der Benennung keinen Namen hatte und es lediglich aufgrund der Initiative von Bürger:innen wie der „Antifaschistischen Vereinigung Lichtenberg“ (AVL) überhaupt zu einer solchen Diskussion um eine eventuelle Namensgebung kam.
Die Grünen haben den Eintrag in die Politik eingebracht, aber davor stand das Engagement von Bürger:innen. Mit Stimmen von Linken und SPD wurde der Antrag gegen die Stimmen von CDU, FDP und AfD angenommen. Das ist Demokratie. Michael Grunst (Linke), der vor Martin Schaefer (CDU) Bürger:innenmeister in Lichtenberg war, hatte sich stets für die Benennung ausgesprochen, für ihn bestand da nie eine Diskussion. Er sagte im April: „Die Benennung des Eugeniu-Botnari-Platzes soll uns daran erinnern, dass Rassismus und rechte Gewalt immer noch alltäglich sind. Es ist der Aufruf, sich Rassismus, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus jederzeit entgegenzustellen.“ Der Platz wird nicht einfach umbenannt, es wird eine Gedenktafel geben.
„Eugeniu Botnari ist ein Opfer rechter Gewalt und das ist unabhängig von seinen Lebensumständen“, sagt Leonie Köhler von den Grünen. „Mit der Benennung wollen wir seiner würdevoll gedenken und an die vielen Opfer alltäglicher rechter Gewalt erinnern. Es ist ein klares Zeichen im Kampf gegen stetig wachsende rechte Gewalt. Der Eugeniu-Botnari-Platz ist ein Mahnmal dafür. Sein Name darf nicht vergessen werden. Und auch nicht vergessen werden, warum er gestorben ist.“
Es gab auch keine anderen Pläne für die Namensgebung dieses Platzes, alle anderen Namensvorschläge wurden erst im Nachhinein angebracht. Aber trotzdem tun manche nun so, als sei Botnari auch hier nichts weiter als ein Ladendieb, nämlich ein Namensdieb. Der Platz hat den Namen bekommen, den er verdient hat. Ich hoffe, Berlin trifft weitere so mutige Entscheidungen.