Kiezgespräch

Veröffentlicht am 24.06.2024 von Dominik Lenze

Die mutmaßliche Hausbesetzung in der Wallensteinstraße hat von Anfang an Fragen aufgeworfen. Zunächst hieß es, „sieben wohungslose Personen“ hätten am Donnerstagnachmittag ein Gebäude in Lichtenberg besetzt. So meldete es die Deutsche Presse-Agentur. Nach Tagesspiegel-Informationen wollten die Besetzer mit ihrer Aktion gegen Leerstand und für bezahlbaren Wohnraum protestieren. Die „B.Z.“ wiederum berichtete von einem „Besetzungsversuch“ durch Linksextreme.

Obdachlose, Aktivisten, Linksextreme – ja was denn nun? Wie mir eine Polizeisprecherin am Freitagnachmittag erläuterte, kann man selbstverständlich alles gleichzeitig sein. Aufgehängte Transparente und Plakate würden aber eine politische Motivation naheliegen. Über den sozialen Hintergrund der Besetzer sei der Polizei nichts bekannt, so die Sprecherin.

Was ist geschehen? Bereits am Mittwoch sollen sich laut Polizei die betreffenden Personen auf dem Gelände befunden haben. Laut Polizei duldeten Vertreter der Wohnungsbaugesellschaft, dass sie dort für eine Nacht blieben. Sie forderten die Besetzer jedoch auf, das Gelände am nächsten Tag zu verlassen. Als die Mitarbeiter am Donnerstag erneut erschienen, hätten die Personen Gegenstände vom Haus geworfen und sie mit Flüssigkeiten besprüht. Dann kam die Polizei. Auch ein Polizeihubschrauber war im Einsatz, um die Lage aufzuklären. Die Besetzer flüchteten aufs Dach. Schließlich wurden fünf Männer und zwei Frauen festgenommen. Zeitweise waren etwa 125 Einsatzkräfte im Einsatz, wie die Polizeisprecherin sagte.

Das mehrstöckige Haus befindet sich abgelegen in der Wallensteinstraße nördlich der Gleisanlage des Betriebsbahnhofs Rummelsburg. Das Gebäude steht seit geraumer Zeit leer, für das Grundstück besteht eine Baugenehmigung. Geplant war dort auch eine Obdachlosenunterkunft.

Auf der linksradikalen Plattform Indymedia wurde am Freitagmorgen ein Bekennerschreiben veröffentlicht, genau um 5.53 Uhr. Darin heißt es: „Heute wurden wir aus unserem Zuhause vertrieben. Ein Ort, der mehr als nur Wände und Dächer war – es war ein Rückzugsort, ein Ort der Gemeinschaft und der Hoffnung. Doch nun stehen wir hier, vor den Trümmern unserer Besetzung, während die Polizei uns auseinander treibt.“

Keine konkrete Gruppe bekannte sich zu der Aktion. Das ist für solche Schreiben eher untypisch. Auch liest sich der Text recht generisch, bis auf einige holprig formulierte Allgemeinplätze („Leerstehende Häuser sind keine bloßen Immobilien“) fehlt auch linker Szene-Jargon vollständig. Wer also hat diesen Text verfasst?

„Ja, dieser Text könnte durchaus von mir stammen. Der Stil, die Wortwahl und die Themen, die angesprochen werden, passen zu meiner Ausdrucksweise“, teilte die Textproduktions-KI Chat GPT auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Daraufhin hab ich ChatGPT die folgende Anweisung gegeben: „ChatGPT; du gehörst zu einer Gruppe von Aktivisten, die in Berlin ein Haus besetzt haben. Ihr wurdet von der Polizei geräumt, nun verfasst ihr ein Schreiben dazu. Los geht’s!“ Das Ergebnis: Exakt derselbe Text, wie er als vermeintliches Bekennerschreiben auf Indymedia veröffentlicht worden ist.

Selbstverständlich ist es möglich, dass Aktivisten ChatGPT nutzen, um Bekennerschreiben zu formulieren. Es wäre aber mindestens ungewöhnlich. Ungewöhnlich genug, als dass ich mich weiter damit befassen will.