Robert Klages´ Tipp

Veröffentlicht am 14.12.2020

Wilde Geige in der verlassenen Fleischfabrik: „Musik spielt in dieser Zeit eine sehr wichtige Rolle. Wenn die Musik nicht da ist, fühle ich mich sinnlos und hoffnungslos. Bei Musik um mich herum vergesse ich alles.“ Das erzählt die Geigerin Liv Solveig Wagner in einem Video, während sie in der alten Konsum-Fleischerei wild fiedelt. Es ist eins von acht Videos über Künstler*innen in Lichtenberg, die an den letzten (acht) Tagen vor Weihnachten, also vom 16 bis zum 23. Dezember um jeweils 20 Uhr, veröffentlicht werden sollen, unter anderen auf berlinalive.de.

„State of The Art(s)“ ist eine journalistisch-künstlerische Momentaufnahme von acht Künstler*innen, die in Lichtenberg leben und/ oder arbeiten und mit denen sich Björn Döring darüber unterhalten hat, wie sich ihr Leben und ihre Arbeit in den letzten acht Monaten unter dem Eindruck und den Auswirkungen der Pandemie verändert hat. „Wie so viele Betroffene sind wir mit Fragen und – bei allem Verständnis und Respekt für die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie – trotz­dem zunächst mit einer gehörigen Portion Wut an das Projekt herangegangen“, sagt Döring. „Wut über das differenzierungslose Abschalten der Kultur und Unverständnis über die Unterscheidung, die von vielen Politikerinnen und Politikern gemacht wurde zwischen ‚der Wirtschaft‘ und ‚den Veran­stal­tun­gen‘ – das eine systemrelevant, das andere bloßes, verzichtbares Vergnügen?“

Wagner wäre eigentlich im Dezember auf Tour, hätte 20 Konzerte gespielt. „Aber wir können uns das nicht aussuchen, weil wir keine Wahl haben“, sagt sie in dem Video, das ich vorab sehen durfte. Wagner zeigt jetzt mehr Online-Präsenz. „Wie willst du dich sonst derzeit präsentieren?“ Sie hat eigentlich eine Wohnung in Neukölln. Zum ersten „Lockdown“ zog sie zu ihrer Freundin nach Lichtenberg, um Geld zu sparen und weil sie mal rauswollte aus der Stadt.

Nach einem kurzem Sommer der Lockerungen und erster Möglichkeiten für Konzerte und DJ-Sets sind Kunstschaffende nun wieder zur Untätigkeit verpflichtet und haben keine Möglichkeiten, mit ihrem kreativen Beruf ihren Lebensunterhalt zu gestalten. Kulturveranstaltungen sind nicht erlaubt und die Proben-Situation in größeren Gruppen ist schwierig bis unmöglich.

Döring kritisiert, dass die Regierung alles tut, um ein ungestörtes Weihnachtsfest zu ermöglichen, Kulturveranstaltungen aber alle pauschal verboten sind. Er zeigt, wie Künstler*innen darauf reagieren und damit umgehen. Wie fühlt man sich, wenn auf Bundes-Ebene entschieden wird, dass Veranstaltungen ein verzichtbarer Luxus sind im Angesicht der Pandemie? Was macht der On-Off-Modus ihres Berufslebens mit den Menschen? Kann geprobt werden?

Folgende Lichtenberger Musiker*innen sind zu sehen: 

  • Liv Solveig Wagner (orchestraler Pop) gefilmt in der Fleischerei Lichtenberg (alte Konsum-Fleischerei)
  • Mau Mushi, (Elektro-Rap) gefilmt im Fennpfuhl-Park
  • A Panda Do Sol, Brasil-Pop, gefilmt im NadaNadi Studio und im Obersee-Park
  • Katrin Hübner, Chorleiterin des Lichtenberger Kammerchors „Piekfeine Töne“ gefilmt auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde
  • YNT, Elektro-Trio u.a. mit der Drummerin Lizzy Scharnofske (hat im Gundermann-Film die Schlagzeugerin gespielt) in ihrem Übungsraum in der Pfarrstraße
  • Ostberlin Androgyn, Hiphop gefilmt in der Parkaue und im Homestudio
  • Hung Manh Le und Hoa Phuong Tran, Musiklehrerende für vietnamesische Musik an der Musikschule Lichtenberg, gefilmt in der Schostakowitsch Musikschule
  • Fannie Wilkens, Deutschsprachiger Pop aus der Schweiz, gefilmt im Valicon Studio, Hohenschönhausen (wo u.a. schon Silbermond, Silly und Joris aufgenommen haben)