Robert Klages´ Tipp

Veröffentlicht am 11.09.2023

Berliner Blau, die nächste Ausstellung. Das 1706 in Berlin zufällig in einer Farbenwerkstatt entstandene Pigment gilt als das erste seiner Art, das so nicht in der Natur vorkommt. Wie zuletzt berichtet, beschäftigt sich eine Künstlerin aus Kanada in Lichtenberg mit der Entstehung des Berliner Blaus, hier geht es zur Information über ihre Ausstellung in den „Lichtenberg Studios“.

Berliner Blau scheint im Trend zu liegen. Auch die Galerie „after the butcher“ in der Spittastraße 25 hat eine Ausstellung zum Thema zu bieten. Sie heißt übrigens so, weil dort früher mal ein Fleischer war. Die Ausstellung trägt den Titel: „Was sind alle Kornblumen der Welt gegen eine Berliner Blaufabrik?“ Die Künstler:innen Helmut und Johanna Kandl zitieren hier aus Theodor Fontanes Roman „Frau Jenny Treibel“ aus dem Jahre 1892: Herr Treibel, Besitzer einer Berliner Blaufarbenfabrik äußert diesen Satz.

Die Ausstellung ist Labor, Kabinett und Wunderkammer zugleich. Und es geht nicht nur um Blau: die Entstehung des synthetischen Indigos, des Alizarins sowie des künstlichen Krapprots, werden thematisiert. Eine Wandmalerei zeigt die verschiedenen Töne des Berliner Blaus. Die auf einem Gemälde abgebildeten Flacons und Gläser erzählen die Chemie- und Produktgeschichte zahlreicher Farben und Pigmente, Grafiken informieren über ihre Warenströme und thematisieren die Verbindung von militärischer und industrieller Dominanz. Ein Film zeigt, wie sich das Rot der Koschenillelaus mithilfe von Blutlaugensalz in eine blaue Farbe verwandelt.

Und es wird geschichtlich: „Die Entwicklung dieser Farben war zugleich der Beginn einer führenden Machtposition der in Berlin ansässigen deutschen chemischen Industrie, deren Geschichte leidvoll verbunden ist mit Kolonialismus, Krieg und NS-Faschismus“, erzählen die Kandls. Der Ort passe bestens zu ihrer Ausstellung, denn schließlich wurden im Rummelsburg von der Firma Agfa sowohl Anilinfarben als auch die ersten Farbfilme entwickelt.

„Die Geschichte des Berliner Blaus ist nicht zu Ende erzählt“, sagen die beiden Künstler:innen. Sie zeigen einen Film über die heutige Forschung und mögliche Anwendungen: Wissenschaftler:innen der Humboldt-Universität erforschen in Berlin-Adlershof, ob das Berliner Blau als Ausgangsmaterial für E-Auto-Batterien zum Einsatz kommen kann – als Ersatz für Lithium. Außerdem wird an „schaltbaren Gläsern“ geforscht, die Farbe und Lichtdurchlässigkeit verändern können.

Ein Stoff, der seit über 300 Jahren bekannt ist, wird also neu entdeckt. Der Chemiker Alexander Kraft, der ein Buch über Berliner Blau geschrieben hat, erklärt: Die Materialien, die für Lithium-Ionen-Batterien verwendet werden, können die größeren Natrium-Ionen nicht aufnehmen. Daher muss man, wenn man von Lithium-Ionen weg und zu Natrium-Ionen hin will, alternative Materialien, wie zum Beispiel das Berliner Blau verwenden.

Und für alle, die es ganz genau wissen wollen: Die blaue Färbung des Berliner Blaus kommt durch die unterschiedlich geladenen Eisen-Ionen in der Struktur zustande: (Fe2+, Fe3+). Dadurch kann Licht bestimmter Energie (rotes Licht) absorbiert werden und ein Elektron springt von Fe2+ zu Fe3+. Das Material sieht dann blau aus (weil der rote Anteil fehlt). Bei Prussian white und Prussian yellow ist das nicht möglich, weil dort entweder nur Fe2+ oder nur Fe3+ Eisen-Ionen vorhanden sind. (NEIN, nicht Eisern Union! Eisen-Ionen.)

  • Die Ausstellung geht noch bis zum 22. Oktober. Geöffnet ist nach Vereinbarung. Kontakt: +49 30 1783298106
  • Finissage ist dann von 15 bis 19 Uhr mit einem Vortrag des Chemikers Alexander Kraft: „Natrium-Ionen-Batterien, schaltbare Gläser und moderne Medizintechnik: Was Berliner Blau noch so alles kann!“
  • Fotos: Helmut & Johanna Kandl