Nachbarschaft

Veröffentlicht am 24.09.2018 von Robert Klages

Letzte Woche bin auch auf dem letzten Runden Tisch zum Thema Gewerbegebiet Herzbergstraße gewesen. Die Stimmung dort war, nun ja, nicht gerade fröhlich, will ich mal sagen. Es geht darum, ob in dem Areal Herzbergstraße Kunstausstellungen erlaubt sein sollen oder nicht. SPD-Baustädträtin Birgit Monteiro ist dagegen, denn sie befürchtet die Gentrifizierung des Gebiets. Linken-Bezirksbürger*innenmeister Michael Grunst ist dafür, auch für eine große Kunsthalle von Axel Haubrok in der Herzbergstraße. Unterstützung hat er nun von Parteikollegin und Bausenatorin Katrin Lompscher bekommen. Diese fordert Monteiro auf, Ausstellungen in der Herzbergstraße unmittelbar zu genehmigen. Macht sie aber nicht. Hier mehr dazu lesen.

Unter den Künstler*innen in der Herzbergstraße ist auch Karolin Schwab, 1987 in Stralsund geboren. Sie arbeitet multi-disziplinär zwischen Malerei, Skulptur und raumgreifenden Installationen und hat ihr Atelier im HB55. Nachdem sie 2013 ihren Bachelor of Fine Arts an der University of East London mit Auszeichnung abschloss, ging sie zurück nach Deutschland, nach Berlin (das ist für sie sozusagen der Kompromiss aus Stralsund und London)

Von 2014-2016 studierte sie zwei Jahre lang an der Universität der Künste, wo sie zuletzt unter ihrem Professor Ai Weiwei ihren Meisterschülertitel erhielt. Seitdem wurden ihre Arbeiten national und international ausgestellt, u.a. in der Kunsthalle Erfurt, in der Galerie Burster in Berlin oder dem Laoshan Museum of Art in Qingdao (China). „Mit meiner Arbeit schaffe ich vor allem auch Arbeit. Und ich finde, im Gegenzug dafür sollte ich auch ab und zu ausstellen dürfen. Durch ein paar unkommerzielle Ausstellungen bricht noch lange keine Gentrifizierung aus“, sagt Schwab. Die Haltung des Bezirks kann sie nicht nachvollziehen: „Was ich nie verstehen werde, ist, dass niemand das wirtschaftliche Potential schätzt, das von Künstlern ausgeht – ich kann sicherlich nicht alle meine Projekte alleine zusammen basteln; dafür brauche ich Material, Werkstätten, Tischler, Schweißer und so weiter, also genau die Fachbetriebe, die Lichtenberg zu bieten hat.“

Aber warum Lichtenberg? „Kurz nach meinem Studium habe ich mich auf die Suche nach einem Atelier gemacht und mich nach langem Suchen bewusst für Lichtenberg entschieden. Was mir gefällt an Lichtenberg ist, dass es ein sehr bodenständiger Bezirk ist – egal, ob mein Outfit zusammen passt oder nicht, und wenn ich nach einem langen Tag im Atelier mit Farbklecksen auf der Hose in der Tram sitze, keine oder keine interessiert sich dafür. Im Gegenteil: ich passe ganz gut zu den vielen anderen Künstlern/Bauarbeitern etc.

Warum Herzbergstraße? „Ich würde mein Atelier gar nicht irgendwo im schicken Prenzlauer Berg oder Charlottenburg haben wollen – da ist alles schon so schön und perfekt, das engt meine Gedanken eher ein. Fertige Dinge interessieren mich nicht, in der Kunst bin ich eher auf der Suche nach neuen Möglichkeiten/Sichtweisen. In Lichtenberg ist es vielleicht nicht ganz so offensichtlich schön, aber man hat das Gefühl, dass es hier Raum und Material gibt mit dem man sich selbst verwirklichen kann. Auf den Straßen liegt auch ziemlich viel Material/Müll rum – manchmal kann ich das verwerten, manchmal bringt mich das auf eine Idee, die ich mit ins Atelier nehme. “

Warum HB55? „Da ist zum einen der Standort, aber auch auch die vergleichsweise bezahlbaren Mietpreise. Es herrschen dort sicherlich keine paradiesischen Verhältnisse – wenn ich eine gefördertes Atelier bekommen könnte, wäre ich auf jeden Fall weg – aber die sind rar gesäht und bis dahin, bietet die HB55 eine relativ sichere Insel. Hier muss man keine Angst haben, dass das Haus in ein oder zwei Jahren an einen Investor verkauft wird. Ich fände es super wenn dort auch öfter Ausstellungen stattfinden würden.“

Aktuell sind ihre Arbeiten zu sehen als Teil der Landrat Biennale ART SAFIENTAL in der Schweiz, sowie im Rahmen der Gruppenaustellung „Wer hat Angst vor Schwarz, Rot, Gold?“ bei Alexander Ochs Private in Berlin, die auch während der ART WEEK BERLIN geöffnet sein wird.

In ihren ästhetisch minimalistischen Arbeiten erforscht Schwab die Beziehungen zwischen oben und unten, innen und außen, dir und mir – und schaut genau auf all jene Verbindungen, die unsichtbar bleiben, aber dennoch spürbar sind. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit Landschaft/Raum/Umgebung, sie erzählen von Perspektive und davon, dass nichts für die Ewigkeit ist, sondern ständiger Veränderung unterliegt. Weitere Infos gibt es auch hier: vimeo.com

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-r.klages@tagesspiegel.de