Nachbarschaft
Veröffentlicht am 08.10.2018 von Robert Klages
Den Fotografen Michael Willöfer habe ich vor einigen Jahren in Mexiko kennengelernt. Unterdessen lebt er wieder halb in Berlin. „Und ich schreibe jetzt so einen Bezirksnewsletter“, berichtete ich ihm bei einem Bier. Als ich dann Lichtenberg sagte, erzählte mir Michael, dass er dort ja aufgewachsen ist. Er erinnert sich noch an die Markthalle. Dort, wo nun das Ringcenter steht. Und an das Theater an der Parkaue, wo er mit seinen drei Geschwistern immer Kindertheater gesehen hat. Für „kinderreiche“ Familien war es umsonst. Das war zu Zeiten der DDR. Schnell lässt er sich von mir überreden, zu der Gegend zu fahren, in der er aufgewachsen ist.
Es ist das erste Mal seit seiner Kindheit, dass er zurückkehrt in die Albert-Hößler-Straße 10. Platte, Tristesse … obwohl doch eigentlich mitten in Berlin. Es regnet, kaum Menschen auf der Straße. Der Kontrast zu Mexiko könnte kaum größer sein. „Einmal, da haben wir eine alte Badewanne mit dem Bollerwagen aus einem Haus geholt und dafür von einem Altstoffhändler sechs Mark bekommen.“ Da war Michael zehn Jahre alt. Als Kinder haben sie in den Baustellen der Neubauten gespielt, die dort gerade gebaut wurden, haben sich dort Hütten errichtet.
Sein bester Freund war Abel aus Kuba, ein Diplomatenkind. Sie haben zusammen Godzilla geschaut. Auf Spanisch. Und auf VHS. Sowas gab es nur selten. Diplomaten kamen da leichter ran.
Einen Tag vor Weihnachten 1988 ist die Familie nach Westberlin ausgewandert, nach Neukölln. Ein offizieller Ausreiseantrag. Michael studierte Architektur an der TU. 2008 ist er mit einem Stipendium nach Mexiko-Stadt gegangen und blieb mehrere Jahre.
Die Menschen, die mir Michael bei meinem Besuch in Mexiko vorgestellt hat, waren herzlich. Allesamt. Sie sagten nicht nur „fühl dich wie zuhause“, sie meinten es auch so. Ich erinnere mich, wie wir zusammen bei der Familie eines Freundes von Michael essen waren, in Oaxaca. Es gab eine grüne Suppe aus Schweinehaut. Der Freund ist leider vor zwei Jahren beim Klettern ums Leben gekommen.
Nach seinen Jahren in Mexiko studierte Michael Fotografie in Amsterdam und Montreal. Vor drei Jahren hat er mit „The Mexico Project“ begonnen, einer Kollaboration mit dem mexikanischen Museum „Laboratorio Arte Alameda“, halb finanziert durch ein Stipendium des mexikanischen Außenministeriums, halb durch eine Arbeit als Fahrradtaxifahrer in Berlin. Einen Einblick und Fotos von dem Projekt sind hier zu sehen.
„The Mexico Project“ ist ein fotografisches Tagebuch, welches „einen dialektischen Diskurs ermöglicht zwischen der krassen Realität und der optimistischen Hoffnung in dem Land“. Derzeit ist Michael auf der Suche nach Ausstellungsmöglichkeiten, gerne in Lichtenberg. BM Michael Grunst hat bereits den Kontakt aufgenommen.
Die Reise- und Produktionskosten für das Projekt möchte Michael durch Crowdfunding generieren. Gerne würde er auch ein Buch zu dem Projekt herausbringen. Dazu hat er ein kleines Video gedreht und einen Aufruf auf Indigogo.com gestartet.
Foto: Robert Klages
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute-r.klages@tagesspiegel.de