Nachbarschaft
Veröffentlicht am 28.01.2019 von Robert Klages
Nabil Salim empfängt den Übersetzer und mich mit einem breiten Lächeln. Er hat Milchreis mit Pistazien und Rosinen gemacht, und Tee und Gebäck. Nachdem ich letzte Woche zwei Tage am Deutschkurs für Geflüchtete in der Gemeinschaftsunterkunft des Unionhilfswerks in der Konrad-Wolf-Straße teilgenommen hatte (coming soon …) hat mich Nabil zu sich in die Wohnung eingeladen.
Der 42-Jährige ist im April 2012 nach Deutschland gekommen. 2011 war er Teil einer Gruppe, die aus ihrem Dorf in Libyen nach Tripolis gefahren ist, um sich einer Demonstration gegen Muammar al-Gaddafi anzuschließen. Am Tag danach, auf der Rückreise, wurden sie von Soldaten verfolgt, die auf sie schossen. „Sie wollten mich umbringen“, erzählt Nabil, den die Kugeln erwischt haben. Sein Bruder brachte ihn in ein Krankenhaus. Er wurde notversorgt und noch am Abend mit einem Krankenwagen nach Tunesien gebracht. Dort war die Ausstattung besser. Außerdem wollte man Nabil außer Landes bringen, damit er vor den Soldaten sicher ist.
Seitdem sitzt er im Rollstuhl und hat noch Kugeln im Körper. Nach der Tötung Gaddafis bot ihm die Nachfolgeregierung an, ihn zur Behandlung ins Ausland zu bringen. Von Tunesien wurde er nach Toledo in Spanien geflogen. „Aber ich wollte nach Deutschland“, sagt Nabil. „Die Behandlung in Spanien war nicht gut, ich hatte Angst.“ In Deutschland konnten ihm die Ärzt*innen auch tatsächlich helfen. Er ist auf Folgeuntersuchungen und Physiotherapie angewiesen.
Nabil ist gelernter Tischler und würde gerne wieder als solcher arbeiten. „Ich bin überzeugt, dass ich das schaffen kann, auch im Rollstuhl“, sagt er. Fast alle im Flüchtlingsheim kennen ihn und beschreiben ihn als äußerst herzlich. An drei Tagen in der Woche kommen Pfleger*innen zu ihm. Nabils Asylantrag läuft noch, er wartet seit Längerem auf eine Antwort.
Immerhin hat er einen Abschiebestopp erhalten. Er darf derzeit aber auch nicht reisen, weder nach Libyen, noch durch Europa. Im Grunde darf er das Land nicht verlassen. Seine Mutter, die in Libyen lebt, hat er seit fünf Jahren nicht gesehen. Die deutsche Botschaft gibt ihr kein Visum, dafür kann sie zu wenig Geld / Vermögen vorweisen. Vor einigen Jahren hat sie mal ein Schengenvisum von Italien bekommen, aber das hat kein zweites Mal funktioniert.
Nabil hofft, seine Mutter noch einmal sehen zu können. Er will besser Deutsch lernen, arbeiten und in seine eigene Wohnung ziehen. Auch wenn sein Asylantrag weiterhin läuft, ist er Deutschland sehr dankbar, sagt er. Er weiß nicht, wie es ohne die Behandlung hier aussehen würde. Und die Leute im Flüchtlingsheim und in Berlin seien alle sehr nett. „Ich möchte Deutschland irgendwie etwas zurückgeben“, sagt er. „Bei mir ist jeder willkommen.“ Foto: Robert Klages
Dieser Text wird auch ins Arabische übersetzt werden. Damit Nabil ihn lesen kann und seine Freunde im Heim. Sollte ein Unternehmen in Berlin daran interessiert sein, Herrn Salim eine Arbeit als Tischler zu geben oder ihn sonst wie zu unterstützen, melden Sie sich gerne, ich kann vermitteln. Email bitte an: leute-r.klages@tagesspiegel.de